Contractual Obligation #1 Live in Moscow

earMUSIC/Edel / VÖ: 26.7.2019

Das Konzert am 15. November 2016 im staatlichen Kremlpalast Moskau war Teil einer Tour, die Ian Gillan im Herbst 2016 zusammen mit der Don Airey Band und täglich wechselnden Orchestern spielte. Die DVD, brillant gefilmt und geschnitten, zeigt erstens: Der damals 71jährige Gillan wirkt so locker und gutgelaunt, als habe er ein paar Kumpels zu einem Betriebsausflug mit Musik eingeladen. Zweitens: kein Widerspruch ist, dass hier extrem diszipliniert musiziert wird.

Orchester und Band werden unter der auch physisch höchst präsenten Leitung von Stephen Bentley-Klein (im Booklet zu Recht als Bandmitglied aufgeführt) zum vielköpfigen Groovemonster. Drittens: Die Setlist hebt selten gespielte Perlen aus Gillans Backkatalog und dem Werk der Stammband ans Tageslicht: Es beginnt mit dem bluesrockigen Hang Me Out To Dry (vom 91er Gillan-Album Toolbox), das vor Saft und Kraft schier platzt. A Day Late‘N‘A Dollar Short von Dreamcatcher-Album kommt in dieser Version eine dramatische Größe, die man so nicht kannte. Das raffinierte Orchesterarrangement schafft – kontrastiert mit dem durchgängigen harten Riff eine noch größere Tiefe und Heavyness. Dann ist da noch Hell To Pay vom Deep Purple-Album Now What !?, das eigentlich ein Konzertklassiker der Stammband sein müsste, weil es ein perfekter Rückgriff auf die 70er Jahre ist, und gleich danach mit Demons Eye die passende Rarität eben aus jener Zeit. Viertens: Die Verfassung der Band, beginnend beim Sänger. Gillan zeigt hier kaum Schwächen, vermeidet allzu kräftezehrende Schreie und hat genug Luft, um immer wieder interessante Phrasierungen aufblitzen zu lassen, etwa in der gereiften Interpretation von When A Blind Man Cries. Für Deep Purple-Afficionados besonders interessant sein dürfte, was der furiose Simon McBride auf der Gitarre anstellt – insbesondere im Zusammenspiel mit Don Airey. Er weiss immer, wo der Kern einer Nummer ist und vermeidet dabei doch sehr kreativ, Blackmore oder Morse zu imitieren. Sein Zusammenspiel mit Airey sieht nicht so aus, als wäre die Don Airey Band für beide nur ein Gelegenheitsjob, wenn gerade mal Zeit ist. Und dann ist das noch das irre Violionsolo, das Bentley-Klein zu Lazybeisteuert – und (nicht nur) damit die Rolle des Dirigenten als Bindeglied zwischen musikalischen Welten neu definiert.

9/10