Live in China

Guru Guru/Edition Red / VÖ: 24.4.2020

Guru Guru waren in ihrer über 50-jährigen Bandgeschichte zum ersten Mal in China: CD und DVD dokumentieren den Auftritt am 19. Mai 2019 beim Tomorrow Festival in Shenzen. Und siehe da: Die seit Jahrzehnten lustvoll zwischen allen musikalischen Stühlen sitzende Band hat offenbar eine hingebungsvolle und vor allem im Schnitt erstaunlich junge Fanschar im Reich der Mitte.

Es ist interessant, die Band in der Interaktion mit diesem Publikum zu beobachten: Oben auf der Bühne ein vorsichtiges Herantasten, unten mehr lächelnde, freudig erregte Bewunderung als die bei uns übliche Ausdruckstanz-Verzückung. Musikalisch sind die Vier das, was sie immer waren: Meister mal in einen Arrangement-Rahmen gesetzten, mal frei fließenden Kollektiv-Improvisation. ›Dark Blue Star‹ taugt als tastender Einstieg, noch sind die mystischen Kräfte der Kapelle nicht entfesselt, aber schon ›Iddli Killer‹ setzt kosmische Energie frei. Bei Roland Schaeffers ersten Tönen auf dem Nadasvaram ist die Publikumsreaktion Indikator dafür, dass der Knoten geplatzt ist. Über die Konzertlänge lässt sich beobachten, wie Roland Schaeffer und Jan Lindqvist sich freispielen, wie Bassist Peter Kühmstedt wie ein Fels in der Brandung groovt und der damals 78-jährige Neumeier mit stoischer Gelassenheit und dennoch fast jugendlicher Energie alles zusammenhält. Die Leichtigkeit und Lässigkeit, das Verrückte, ein paar Takte geradliniger Rock, dann wieder schamanenhafte Ethno-Grooves, alles ist da. Vielleicht einen Tick zurückhaltender als bei Konzerten in unseren Breiten, aber dennoch weit entfernt von einer Guru Guru Light Variante. Man merkt es, wenn Band und Publikum beim endlos langen Klassiker ›Ooga Booga‹ und dem anschliessenden Schlagzeugsolo doch so etwas wie gemeinsame Ekstaxe erreichen. Allerdings sind Ton- und Bildqualität einiges unterm gewohnten Standard, ausserdem fehlt der legendäre ›Elektrolurch‹. Dafür ist der Konzertmitschnitt ein Dokument eines offensichtlich gelungenen Kulturaustauschs.

7/10