Ein Fest der frohen Unsinne

Guru Guru, Karlsruhe-Grötzingen, VfB-Sportgelände, 25.7.2021

Es ist erstens der Genius Loci, der die Kunst beflügelt an diesem Abend: Da ist viel Platz für inspirierten Ausdruckstanz, so wie ihn die Altvorderen der freischwebenden Jahre lehrten. Es ist zweitens diese „Laue Sommernacht-Stimmung“ über dem Sportgelände des VfB Grötzingens, die die Menschen beflügelt.

Klar, dass der Grötzinger Künstler Guntram Prochaska seine Freunde von Guru Guru nicht ansagt, sondern eben ansägt. Deren Anführer Mani Neumeier sich aber doch weniger angesägt, sondern eher wie „vor 50 Jahren eingefroren und jetzt aufgetaut“ fühlt. Was dann zu knapp zweistündigen Energie-Eruptionen der Band führt, die in 52 Jahren rund 3700 Konzerte gespielt hat.

Die Magie eines Guru Guru Konzertes liegt wie in den wilden 70er-Jahren immer noch in dieser nirgendwo sonst so selbstverständlich praktizierten Mischung aus ernsthaftem, handwerklich über jeden Zweifel erhaben Musizierens und dem Drang, sich selbst nicht ernst zu nehmen und das auch nusikalisch in wild-anarchische Klangorgien zu giessen. Ganz zu schweigen vom komödiantischen Talent des 80jährigen Mani Neumeier, der letztlich in allem, was er auf der Bühne tut, immer ein bisschen jener „Elektrolurch“ ist, den er vor eine halben Jahrhundert erfinden hat.

An den typische Guru Guru-Trademarks hat sich auch 2021 nichts geändert, aber die Möglichkeiten, in alle Richtungen zu eskalieren, sind größer und bunter geworden: Mit Zeus B. Held an den Keyboards (der den ausgeschiedenen Gitarristen Jan Lindqvist ersetzt) ist ein alter Bekannter an Bord, dessen eigene Karriere für musikalische Offenheit steht: In den 70er Jahre war er Keyboarder von Birth Control, später machte er als Musikproduzent in London Karriere – unter anderem mit elektronischer Musik. So gibt es jetzt aufregende Duelle zwischen ihm und Gitarrist/Saxophonist Roland Schaeffer, die zwischen fein sortierter Anarchie und Anklängen von komplexem Progressive Rock oszillieren. Wobei Mani Neumeier alles mit seinem immer noch wuchtigen Schlagzeugspiel zusammenhält, brummend unterfüttert von Peter Kühmstedt, der seinen Bass wie festgemauert in der Erden vibrieren lässt. Aber diese Musik ist keine Spielwiese für selbstverliebte Soli-Egoisten. Vielmehr ist das Konzert ist eine Übung in Aufmerksamkeit, gegenseitigem Verständnis im Bemühen um das gemeinsame Erringen spannender musikalischer Glücksmomente. Dabei können sie geradlinigen Rock’n’Roll („Can’t Stop My Rock’n’Roll Machine“) genauso gut wie veschlurften Reggae („I’m Rolling Through The City“) oder den schamanischen Stammestanz („Living In The Woods“). Wenn Neumeier verkündet, er lebe in einem Wald mit Tigern – man glaubt es ihm aufs Wort. Und man nimmt ihm auch den legendären Elektrolurch ab, der am Schluss das ausdruckstanzende Volk noch einmal abheben lässt. Und wie immer mit der selbstverständlich rhetorischen Frage endet: „Und was macht ihr, wenn Ihr mal älter seid?“. Weiter, natürlich.