Der die Gitarre auswringt

Kenny Wayne Shepherd Band, Tollhaus-Zeltival, Karlsruhe, 26.7.2017

Kenny Wayne Sheperd hat kürzlich mit „Lay it On Down“ ein Album veröffentlich, das in weiten Teilen klingt, als wolle er sich auf Biegen und Brechen unbedingt an ein Mainstreamrock-Publikum ranschmeissen, aber gleichzeitig die Freunde des ungehobelten Bluesrock nicht vergraulen. Genau diese Gratwanderung spiegelt das umjubelte Konzert am vergangenen Mittwochabend beim Zeltival wieder. Die Bühne gemahnt mit dem überlebensgroßen Plektrum und den Initialen des Künstlers an die Tatsache, das hier ein (mit 40 Jahren noch recht junger) Gitarrenheld der alten Schule aufspielt.

Die Besetzung der Band, Frisur und Outfit des Chefs und seines kongenialen Sängers Noah Hunt malen das Bild von „großer Rockmusik“ auf großen Bühnen in amerikanischen Millionendörfern. Dort, wo man den Gitarrenhelden bejubelt, wenn er flitzefingrige Soli abschießt in jedem noch so kleinen Zwischenraum zwischen zwei Versen. Dort, wo man sich von Sängern gern die Weisheiten des Lebens erzählen lässt, wenn sie mit ganz großer Geste kleine Erkenntnisse zelebrieren. Noah Hunt ist so einer – und man fragt sich ernsthaft, warum er seinem Chef erlaubt, manche Songs mit seinem eher dünnen Stimmchen zu beehren. Hunt erinnert von weitem an den jungen Bob Seger, und er singt nun wirklich göttlich. Mit dem nötigen Macho-Rotz in der Stimme, aber zugleich auch weich wie ein Stoffteddy. „My strength goes out the window when I hear your voice“ barmt er auf Knien der Angeschmachteten hinterher, die „a hard lesson learned“ ist. Man glaubt es ihm tatsächlich, während unterdessen sein Gitarrenmeister den Zwirbelfinger mal relativ ruhig hält und gezielte Töne in den Solarplexus schiesst.  Nach dem ihn vorher schon ein paar mal der Hochgeschwindigkeits-Teufel geritten hat. In „Baby Dot Gone“, dem Opener des aktuellen Albums mit seinem Kopfnick-Riff und seinem aalglatten Stadion-Mitgrölrefrain. Im Stevie Ray Vaughn-Cover „The House Is Rockin“, das angetrieben von Vaughns ehemaligem Drummer Chris Layton die perfekte Spielwiese für Sheperds formidable Gitarrenraserei biete. Immer sehr kontrolliert und wohlüberlegt, ja konventionell, aber mit einem wunderbar stimmigen Fluß und ausgeprägtem Gespür für rotglühende leicht angerostete Sounds zeigt er hier zunächst noch sehr abgezierkelt, was später, wenn die Original-Bluessuppe in einem BB King-Medley aufgekocht wird, in rauschhaftes Flirren überführt wird. Da darf dann auch mal Keyboarder Riley Osbourn sein fünf Minuten Pianoglanzlicher setzte. Dem Mann allerdings kommt über die gesamte Konzertlänge das Verdienst zu, seine unverzichtbare Orgel so dezent und effektiv zu spielen, dass sie erst dann auffallen würde, wenn sie fehlt.

Irgendwann gegen Ende heisst es „Karlsruhe, put your hands in the air!“ Als wäre das nötig gewesen. Nötig jedenfalls ist die obligatorische Hendrix Hommage, die die Tür zu einer risikobereiteren Blues-Interpretation einen Spalt weit aufmacht. Die kommt mit „Voodoo Child“ – und da erreicht Shepherd eine Freiheit des Ausdrucks, die in den anderthalb Stunden vorher so nicht zu hören war.