Klops mit Beistell-Sklavinnen

Meat Loaf, Rastatt, Pagodenburg Open Air, Juni 2005

Als hätte jemand von Schmalfilm auf 70 Millimeter Cinemascope umgestellt. Als hätte jemand den Farbfilm neu erfunden, mit extra viel Rosa, Blau und Knallorange. Das ist der erste Eindruck. Die Band rumpelt sich warm, die Beistelldamen schreiten ledern zu den Mikrophonständern. Die Gitarren sägen, der Bass pumpt, hoch droben thronend hackt das Schlagwerk die Zeit in stets symmetrische Einheiten und zu guter Letzt schlurft der Meister aus den Kulissen. Wenngleich er nicht mehr ganz so dick ist wie seinerzeit anno 77, seinem Stimmvolumen tut es keinen Abbruch.

Nach drei Songs hat die Show ihren ersten Höhepunkt erreicht: „Life Is A Lemon And I Want My Money Back“, eine pulsierende Angelegenheit aus dem Maschinenraum der Hölle, umreißt exemplarisch das Universum des Herrn Fleisch: Opulent angerichtetes, geschmackvolles Heavybrett auf Doppelgitarrenbasis, brachiales 80er Jahre Synthesizer-Gedöns überstrahlt vom operettenhaft dräuenden Testosteron-Tenor des mittlerweile 53jährigen Lee Marvin Aday.

Weiter hinten auf dem Open Air Gelände kommt es allerdings nur als mäßig transparenter Soundbrei an, aber was soll’s, schließlich singt das Auge mit: Die Beistelldamen stehen in erstarrter Sklavinnenpose, der Meister schiebt seinen Körper mit Dompteurblick dazwischen. Cool und gefährlich, eiskalt und erhitzt. Perfektes Theater. Mit „Black Betty“ wird kurz mal in die Gasse gehauen, dann wirkt der rote Teppich für die nun folgenden Magnum Opi umso röter. Bei „Deadringer For Love“, dieser atemlosen Balzhymne, kommen erstmals die stimmlichen Qualitäten von Beistelldame Nummer Eins, Patricia Russo, zur Geltung. Schwarzledrig schlängelnd duelliert sie sich mit Klops und gewinnt nach Punkten.

Gerade diese monströsen Mann-Frau-Dialoge lassen das Meat Loaf Konzept im überzeugendsten Licht erscheinen: Eine kurze Affäre, Sex als Leistungssport, musikalische Wendungen, mit denen der Künstler uns sagen will: So klingt es, wenn die Hose ganz eng wird. Und dann die alles entscheidende Frage: Liebe oder Verzicht. Die Frau plädiert auf Ehe und Ewigkeit, der Mann auf schnellen Vollzug im Auto: „Paradise By The Dashboard Light“ handelt alles das in sieben Minuten ab, einfach herrlich und immer noch überzeugend. Weniger gut kommt der Radio-Hit „You Took The Words Right Out Of My Mouth“. Solche Opulenz der Studiovorlage muss auf der Bühne fast zwangsläufig in sich zusammenfallen wie ein schlecht aufgepumpter Luftballon, da kann die Band sich noch so sehr ins Zeug legen. Dafür singt das Publikum in dieser „Hot Summer Night“ besonders schön mit. Überraschend wenig später der erdige, bluesige Touch in „All Revved Up“, war das schon immer so? Egal, es ist gut. Genauso gut wie der halbwegs gelungene Versuch, den Über-Song „Bat Out Of Hell“ – eine mehrstöckige Sahnetorte – möglichst plattengetreu zu reproduzieren. Zwei Stunden Meat Loaf: Pappsatt!

Murgpark, Rastatt