Berliner Multitalent aus Schwaben

Begegnung mit Albrecht Metzger, unter anderem Kabarettist,

2008 spielte Albecht Metzger, früher bekannt als Rockpalast Moderator, im Karlsruher Sandkorn-Theater ein großartiges Kabarettprogramm, das indirekt auch ziemlich viel mit seiner Vergangenheit zu tun hatte. Nach einem vorhergehenden Auftritt hatte ich eine  Kritik geschrieben, die er wohl sehr zutreffend fand. Er fühlte sich offenbar verstanden. Daraufhin  gab’s dann noch ein Porträt in den Badischen Neuesten Nachrichten, und irgendwann saß er dann mal bei mit zuhause auf der Couch und schenkte mir eine Weisspressung  der LP seiner damaligen Stuttgarter Politrockband Hotzenplotz. „Wir waren eigentlich recht harmlos“, sagte er damals. „In Karlsruhe gab es doch eine Band, die waren viel härter drauf als wir…. Checkpoint Charlie“. Da schau her. Hier nun also alles, was ich über Albrecht damals schrob, zusammengefasst zu einem Text. Es stimmt wohl so noch immer.

Er macht alles selbst. Das Management, die Bühnentechnik, das Bühnenbild, er ist sein eigener Fahrer und Roadie, sein eigener Booking- Agent und Tourneeplaner. Es ist Mittwochabend, Albrecht Metzger ist mit seinem Kabarettprogramm „Sex & Drugs & Rock’n Roll“ zu Gast im Karlsruher Sandkorn Theater. Morgens von Berlin angereist, aufbauen, spielen, abbauen, am nächsten Morgen zurück. „Scheißplanung“, feixt er, „aber ich bin ja selber schuld“. Das sei halt eben Rock’n’Roll, fügt er entschuldigend hinzu.

1977 wurde der Fernsehredakteur schlagartig europaweit bekannt, als erster Moderator der legendären Rockpalast-Nächte. Sein Satz „Dschörrmen Telewischen prautly prisents“ machte ihn zur Legende. Acht Jahre lang machte er den Job beim Rockpalast. Über diese Zeit ist ihm nicht viel konkretes zu entlocken, nur soviel. „Da hab’ ich gelernt, als Einbeiniger zu rennen. Hätte ich damals schon gewusst, dass ich ein Komiker bin, dann hätte ich mir die Zeit beim Rockpalast sehr angenehm gestalten können“.

Schon in dieser Zeit folgte er seiner Schwäche fürs Theater, zog nach Berlin, stieg ins Ensemble des Jugendtheaters „Rote Grütze“ ein und spielte 300 mal im Anti-Drogen-Stück „Mensch ich lieb dich doch“. Nach seinem Umzug nach Berlin wollte er fünf Jahre lang „nichts mit Schwäbisch zu tun haben“. Er hatte nur einfach „fort, aus der Enge in die Weite gewollt“. Aber ab 1987 ging er das Thema offensiv an; zusammen mit Klaus Sommerfeld gründete er Schwabenoffensive Berlin, zunächst lauschten Berliner Exilschwaben, dann aber auch Einheimische mitten im Kreuzberg den vertrauten Klängen. „Wir mussten gar nicht komisch sein, wie haben diese Charaktere eins zu eins gespielt…. Das war naturalistisch.“ Und erfolgreich zudem. Seit 1997 ist Metzger auch of solistisch auf den Kleinkunstbühnen der Republik unterwegs, im Schnitt 70 bis 80 Auftritte im Jahr macht er. „Ich hab ja nie Karriere geplant. Wir kommen noch aus Zeiten, in denen man gesagt hat: Nehme mer hald de nägschde Zug…“.

Mit seinem Programm „Sex & Drugs & Rock’N’Roll“, das aus er Liebe zur Rockmusik schöpft, schließt sich ein Kreis: Angefangen hat Metzger Ende der 60er Jahre als Sänger der Politrockgruppe „Hotzenplotz“. Die, so erinnert er sich in „Konkurrenz“ zu den Karlsruher „Checkpoint Charlie“ standen. „Die waren richtig böse, die haben sich mehr getraut als wir“, erinnert er sich. Musik ist für Metzger noch immer Lebens- und Überlebensmittel. „Musik ist die Kraft, gegen die wir uns nicht wehren können, Gottseidank!“, sagt er. Obwohl in seinem Programm viel laute Musik vorkommt, bevorzugt der 63jährige heute eher leise Töne. Zu seinen absoluten Lieblingen gehört Van Morrison. „Das interessiert mich, was der zu sagen hat. Der ist genauso alt wie ich, das macht schon etwas aus. Er trifft mich mit der Zeile ‚I’m Gonna Rock Your Gipsy Soul’. Da kommen mir die Tränen“. Die kommen ihm auch, allerdings nicht vor Rührung, wenn er mal wieder lesen muss, die Schwaben würden den Prenzlauer Berg aufkaufen. Da winkt er ab: „Des isch saure Gurke Zeit…“

„Sex, Drugs & Rock’n’Roll“ heißt das Programm, und für wenige Momente denkt der Zuschauer, er ist im falschen Film. Da sitzt Albrecht Metzger und gibt den zunächst ganz bieder wirkenden Karl-Heinz Ruck, Druckereibesitzer. Der harrt der Hochzeit seiner über alles geliebten Tochter Steffi und der Rückkehr seiner Socken, und räsoniert dabei über sein rund 60 Jahre währendes Erdendasein. Über die Härte der Weiber, zum Beispiel, über Ute, die Eisele heißt und auch so ist, schließlich hat sie ja Rigorismus studiert. Über den nicht ganz genehmen Schwiegersohn aus der Zone. Russisch hat der gelernt, „Wieso denn russisch? Der woiß doch ned omol, was ‚fuck off’ hoissd und wann der Dylan elekdrisch worde isch!“ empört er sich, und da ist er: Der Rock’n’Roll.

Und dann noch etwas: Bei seiner eigenen Hochzeit, da wurde Hank Williams gespielt. Metzger macht’s vor, schon fast perfekt als ehrenwerter Brautvater angezogen, zieht er cool das Luftgitarrensolo ab und erklärt so nebenbei dem in Teilen sehr jungen Publikum im Sandkorn Studio die Vita des Countrysängers, der ein Rock’n’Roller war, ohne es zu wissen. Soviel fürs erste zu Drugs. Nach und nach offenbart sich die Figur Ruck dem Publikum: Der Mann hat drei Ehen hinter sich, einen Schlaganfall und ein Alkoholproblem. Aber er ist ein Stehaufmännchen, getrieben von der Kraft des Rock’n’Roll und schwäbischer Lebensweisheit. Metzger, der ehemalige Rockpalast Moderator, Rote Grütze Schauspieler und Gründer der „Schwabenoffensive Berlin“, spielt diesen Mann so glaubhaft, dass man ihn bald nicht mehr für eine Kunstfigur hält, zu offensichtlich ist die Liebe des Darstellers zu seiner Figur. Diesem ewigen Kind im Manne, das der Tochter zur Hochzeit seine gutbestückte Wurlitzer Musikbox schenken will, den Altar dieses schlichten Bühnenbildes, vor dem der Protagonist sich (bewaffnet mit einem Baseballschläger als Gitarre) zu AC/DCs „Whole Lotta Rosie“ auf dem Boden wäzt, vor dem er Mick Jaggers Zuckungen parodiert. Und in den er auch einmal leise hineinweint, wenn er vom Auszug seiner dritten Gattin erzählt. Auch wenn er Momente vorher noch den Obercoolen gegeben hat. Mag sein, dass der Mann einen verständnislosen Arzt hat, der ihn nach seinem Schlaganfall wieder psychisch aufrichten soll – wirkliche Hilfe braucht Ruck nicht. Denn für einen Mann gibt es nur eine Institution, von der er Hilfe annehmen kann, und das auch nur im äußersten Notfall: Vom ADAC. Wenn Ruck über seinen Sohn spricht, läst Metztger ausnahmsweise mal eine etwas drastischere Karikatur entstehen: das dennoch immer noch liebevoll gezeichnete Klischeebild eines Punks. Der Benedikt heißt, sich von seinen Freunden aber „Rotze“ nennen lässt und sich „mit den letzten Zuckungen einer bös verschleppten Pubertät“ herumschlägt. Klasse, wie Metzger ihn und Freundin optisch als zwei verschiedenfarbige Besen präsentiert. Noch besser, wenn er zu James Last Klängen mit eben jenen Besen als Furie über die Bühne reitet. Denn gegen des Sohnes Band The Bloodpissers wehrt sich der Vater mit mehreren hundert Watt-Aufstockungen seiner eigenen Anlage plus James Last Terror.. Der Höhepunkt der Veranstaltung, die Ruck schließlich im Hank Williams Anzug zur Hochzeit der Tochter streben lässt, ist die Abteilung Sex. Die Reminiszenz an die Jugend, in der man mittels einer „Terminator-Kassette“ das Triebleben von Winnenden komplett auf den Kopf stellte. Mit der man die Mädels rumkriegte und während des Akts beschallte. „Wenn des Ding g’loffe isch, dann hat der Hund bellt“. Metzger schafft die Gratwanderung ohne Peinlichkeit und findet in der gleichen Szene noch eine Weisheit heraus, die das Gefühl dieser zwei Stunden perfekt auf den Punkt bringt„der Mensch ist unsterblich, vor allem zu Lebzeiten“.