Ein Trip mit der Geisterbahn

O.R.k. und Komara im Substage, Karlsruhe, 19.2.2016

Aus den Anfangszeiten des legendären Rockpalast sind redaktionsinterne Diskussionen darüber überliefert, ob man bei Fernsehaufzeichnungen überhaupt Close-Ups der Musiker zeigen dürfe. Von wegen Musik ist eine demokratische Abgelegenheit, und deshalb muss immer die Totale gezeigt werden. An diese Idee erinnert Bühnenaufbau und Gebaren der „Prog-Supergroup“ O.R.k., die am Donnerstagabend vor erlesenem kleinen Spezialisten-Publikum im Substage auftrat.

Alle vier Musiker diszipliniert in einer Reihe, das Schlagzeug links und damit der Verzicht auf den handelsüblichen Rock-Altar, ein vor allem klangbewusstes und in einem synchronisierten Groove werkendes Kollektiv von Alleskönnern, denen es aber nicht um Präsentation ihrer handwerklichen Fähigkeiten geht.

Bassist Colin Edwin („Porcupine Tree“), Drummer Pat Mastelotto („King Crimson“), Gitarrist Carmelo Pipitone („Marta Sui Tubi“) und Sänger Lorenzo Esposito Fornasari („Berserk!“) haben gerade ihr Debütalbum „Inflamed Rides“ veröffentlicht, das sie bei diesem – ihrem ersten – Deutschlandkonzert vorstellen. Es ist ein betörender, meist hypnotischer, streckenweise alptraumhafter Ritt, basierend auf schwer lastenden Midtempo-Grooves. Mal skizzenhaft, mal voll in die Fresse. Für Fleisch sorgt Gitarrist Pipitone, der mit der Attitüde eines durchgeknallten Metal-Gitarristen sein ostinates Sägewerk betreibt, aber auch mal das „klassische Gitarrensolo“ ins Atonale verhackstückt, bis es weh tut. Nachdem (!) er das erstmalig getan hat, verlünet Lorenzo Fornasari: „It’s time fpr something uncomfortable“ um dann in „Bed Of Stones“ seinen elektronischen Spielzeugen flauschige Wölkchen zu entlocken, die sein Gitarrist in einer Sepultura-ähnlichen Performance zu Klump haut. Es ist dies der einzige Moment, der dem Rockisten in uns Zucker gibt, in dem das Bild der gleichberechtigten Totalen sich auflöst. Kaum ist der entfesselte Herr zurück im Glied, regiert wieder Edwins federnder, herausfordernder Bass und Mastellottos geradliniges, stoisches Drumming.

Eindringliche rhythmische Figuren fast bis zur Unerträglichkeit zu wiederholen, das haben sie drauf – und das ist letztlich auch das, was den Zuhörer einsaugt, so er sich denn darauf einlassen will und kann. Formasaris Gesang pendelt passend zwischen Raunen und divenhafter Dramatik. Mit „Pyre“ schlägt die Band versöhnliche Töne an, weit weg von der handelsüblichen Balladenbastelanleitung, mit akustischer Gitarre vorsichtig umgepflügtes Herbstlaub.

Im Vorprogramm hatte Pat Mastelotto unter dem Bandnamen Komara mit dem Gitarristen, Bassisten und Elektroniker David Kollar und dem Trompeter Paolo Raineri bereits den Boden für das Folgende bereitet. Mit einer Musik, deren Grundstiummung in die gleiche Richtung zielt und die vor allem auf den Kontrasten zwischen der flirrenden Freiheit der Trompete und brachialen Gitarrengewitter basiert. Ein Kritiker schrieb, ihre Musik könne das Nüchternheitslevel des Zuhörer verändern – selbst wenn in dessen Adern weder Spuren von Alkohol noch Drogen zu finden seien. Das gilt für den ganzen Abend.