Back To The Roots

Pink Cream 69 wieder in Hochform mit „Electrified“ – neue Platte, neues Glück

Notiz: Dieses Interview von 1998 habe ich auf alten Daten-CDs gefunden. Ich habe keine Ahnung mehr, wann und wo genau ich es geführt habe. Es könnte sein, dass es im privaten Radiosender „Die Welle“ war, einfach aus Spass. Denn senden konnten wir ja bei diesem ekligen Formatradio  vom infrage stehenden Album nichts. Vermutlich habe ich das Interview also sozusagen mit stillschweigender Duldung der Verantwortlichen zum eigenen Spaß aufgezeichnet und dann irgendwann transkribiert. Das wurde also bisher nirgends in irgendeiner Form veröffentlicht. Here we go……

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Vor 10 Jahren waren sie angetreten, von Karlsruhe aus die Welt zu erobern: Pink Cream 69 waren bis dahin lange Jahre „Germany´s Greatest Unsigned Hope“ gewesen. Dann kam der Major-Deal und alles ging gut bis Sänger Andi Deris 1994 zu Helloween abwanderte. Nach kurzfristiger Verwirrung kam David Readman aus Manchester an Bord- und die Band klang erstmal modern, was nicht allen Fans zusagte. Vier Jahre und drei Alben später sind die Pinkies musikalisch wieder eines der wenigen verbliebenen Flaggschiffe des melodischen Hardrock, wie er eben vor 10 Jahren seine Blütezeit hatte. „Electrified“ ist geradeaus, wuchtig, pathetisch und reizt dazu, unsichtbare Gitarren zu spielen, wenn keiner guckt. Es ist ja 1998. Vorhang auf zum Tanztee mit Kosta Zafiriou und David Readman.

Also jetzt, meine Herren- Hand aufs Herz- welche Eurer neuen Songs elektrifizieren Euch selbst am meisten? Und bei welchen wird sich das Publikum vor Begeisterung in Stücke reissen?.

Kosta: Da würde ich auf jeden Fall „Stranger in Time“ nennen und dann noch „Shame“. Ich denke, dass das vielen Leuten genauso geht- einfach durch die Kombination harte Riffgitarren mit extrem melodischem Refrain, wie es jedem ins Ohr geht. Das kann man dann auch gut den ganzen Tag im Auto vor sich hinsummen. Die Ballade „Gone Again“ gehört sicher auch dazu, und ganz klar die Doublebassgeschichten, die auch immer ein Element der Band waren, hardrockiger, was uns musikalisch sehr viel Spaß macht, was aber nicht jedermanns Sache ist.

Es gibt auf der Platte einen Hidden Track- eine etwas angeheiterte Version der genannten Ballade „Gone Again“. David singt da einen recht derben Dialekt und scheint auch sonst ganz schön von der Rolle zu sein? Wie ist das entstanden?

Kosta: Der Dennis, unser Bassist, hat die Scheibe produziert wie auch die letzte. Und ich muß dazu sagen: Im Studio sind wir ziemlich straight, also die klassischen Alkohol- und Drogenexzesse wirst Du bei uns nicht finden, einfach weil wir das schon zu lange machen und sehr konzentriert bei der Arbeit sind. Nun hatte unser werter Produzent ´ne gute Idee: es war der lezte Song, den wir aufgenommen hatten. Er stellte also dem David ´ne Flasche Wein hin, um noch 10 Prozent mehr Emotion rauszuholen, was auch geglückt ist, das Feeling ist abslolut geil auf der Ballade. Summa summarum: Die Flasche war leer, der Song im Kasten, der Sänger voll. Und dann sagte David plötzlich, komm, laß mich nochmal was probieren, einmal nur. Und dann fängt er an mit diesem irischen Kauderwelsch- und Dennis und ich sind auf dem Boden gelegen und haben gelacht. Das war übrigens der einzige Take dieser zweiten Version – David Readman leicht angeheitert!

Rein Produktionstechnisch ist die Platte ja oberfett. Ist das nicht ein bißchen frustrierend, diesen Stadionsound dann live wieder aufs Clubformat runtertunen zu müssen?

David: Ja, die Platte klingt schon sehr breit und groß. Man kann sich auch schön vorstellen, wie das im Stadion klingt Aber wir müssen eben auf der kommenden Tour mit den Beschränkungen leben, in den Clubs und Hallen, in denen wir zur Zeit spielen. Wir hoffen aber trotzdem, dass dieses stadionrock-ähnliche Konzept auch in den kleinen Hallen gut kommt. Jeder muß halt durch so eine Zeit durch, in der man nur 600-700 Leute in den Hallen hat. Das haben sogar Bands wie Aerosmith mal erlebt. Aber solange Du es positiv siehst und am Ball bleibst… you never know round the corner. Vielleicht kommen ja die großen Bühnen bald wieder. Und auf der Tour mit Bruce Dickinson werden wir schon mal so tausend Leute im Konzert haben.

Kosta: Zumal es uns schon seit 10 Jahren gibt, und wir seit 10 Jahren professionell genug sind, um davon leben zu können, und ich denk, das ist schon mal ein Riesenluxus. Dafür allein sollten wir schon dankbar sein, dass wir es soweit gebracht haben und dass wir dieses Level auch halten konnten. Also: Die Millionen und die großen Arenen mit 50.000 Fans jeden Abend- das ist soweit weg. Du bist ja froh, wenn du 30-50.000 Leute hast, die Deine Scheiben kaufen, und die sich dann melden per E-Mail oder auf Konzerten und sagen: Eh Klasse, geil, macht weiter… das ist schon Ansporn genug.

Schauen wir mal ein paar Jahre zurück: Nach dem Einstieg von David habt ihr zum Teil herbe Kritik einstecken müssen, weil die damalige Platte „Change“ für viele ein bißchen zuviel Change war. Jetzt seid ihr musikalisch wieder etwa da, wo ihr vor 10 Jahren angefangen habt. Power und viel Melodie. Plötzlicher Sinneswandel oder Endpunkt einer langen Entwicklung?

Kosta: Um ganz grob zu antworten, würde ich mit Ja antworten, weil wir uns schon immer die Freiheit rausgenommen haben, die Musik zu machen, die uns Spaß macht, denn nur dabei kriegst du den Kick. Und ich sag auch immer gern in Interviews: der Job ist viel zu schlecht bezahlt, um was zu machen, was keinen Spaß macht. oder um Kompromisse einzugehen. Als David in die Band kam, da waren die Geschmäcker anders, wir hatten schon drei Scheiben in einer Richtung gemacht und brauchten eine Abwechslung. Wir wollten uns diese Freiheit damals nehmen. Dazu kam dann, dass Sony Music die Deals mit Blick auf den amerikanischen Markt erhöhte, juhuu! Dann gab´s einen amerikanischen Producer, aber ich will es nicht auf jemand Anderen schieben, denn wir waren willig zu experimentieren, und ich muß auch sagen, bis heute bereuen wir es nicht. Und wir haben auch gerade kürzlich wieder vier Songs von „Change“ in einem Konzert live gespielt.

Und wie siehst Du, David, die Entwicklung seit deiem Einstieg- so insgesamt?

David: Am Anfang war es natürlich erstmal schwierig für die Fans, mich als Sänger zu akzeptieren, und dann haben wir auch gleich noch eine Platte gemacht, die ganz unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen hat. Aber ich denke, die Richtung, in die wir uns dann mit „Food for Thought“ und danach mit der Live-Platte bewegt haben, die ist eine ganz natürliche Entwicklung- zumindest für mich persönlich. Also es war nicht so, dass wir bewußt gesagt hätten: So, ab jetzt sind wir wieder eine melodische Hardrock-Band.

Ganz persönliche Frage: Du bist jetzt vier Jahre in Deutschland, lebst in Karlsruhe. Du hast ja damals quais über Nacht deine Koffer gepackt und dich ins Abenteuer gestürzt? Schon mal bereut?

David: Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass alles problemlos war. Das erste Jahr war echt schwierig, Du verstehst nicht, was im Fernsehen läuft, Du kannst keine Zeitung lesen. Vieles, was ich liebte, fehlte erstmal ganz. Jetzt verstehe ich die Sprache und (auf deutsch) schbräsche auch ´n bisschen Deutsch auf jäiden Fall Mann! Aber ich habe nie wirklich gedacht: Mein Gott, was hast Du da bloß gemacht? Jetzt hier zu sein, ist auf jeden Fall ein wichtiger Teil meines Lebens Damals habe ich meine Mutter vom Flugfhafen Manchester angerufen und sagte: Mutter, jetzt wasch´ mir bitte noch schnell ein paar Socken, in drei Tagen ziehe ich um nach Deutschland!

Ist Deutschland aus Deiner Sicht eigentlich ein gutes Terrain für Rockmusik und Rockmusiker?

David: Ich glaube da draußen sind noch genug Leute, die Rockmusik wirklich mögen. Gut, wenn Du MTV oder VIVA als Maßstab nimmst, dann sieht es natürlich nicht so aus. Da gibt´s dann vielleicht gerade mal noch Aerosmith- denn die sind ja heutzutage eine Popband. Und was Rockmusiker betrifft? Ich habe in Deutschland einige großartige Musiker getroffen, abgesehen von den Jungs, mit denen ich in der Band spiele ..

Und wie steht es mit Karlsruhe als Geschäftssitz einer international operierenden Hardrockfirma?

Kosta: Der Standort ist eigentlich egal. Aber es ist schon wichtig, dass der Dennis noch hier wohnt, und dass David nach Deustchland gezogen ist, damit wir als Band arbeiten können. Und es ist gut, dass wir uns nicht nur auf der Bühne und zu irgendwelchen Studioterminen sehen, sondern daß wir tatsächlich noch ´nen Proberaum haben. Die gute alte Rock´n´Roll-Schule, wo man sich auch mal nächtelang einschließen kann und jammen und rumprobieren Ausserdem ist Karlsruhe so schön in der Mitte von allem…

Wenn ihr auf Tour mit Bruce Dickinson geht- das ist ja fast so was wie Urlaub für euch, obwohl immerhin 10 europäische Länder auf dem Plan stehen. Ist das echt erholsam?

Als Support Act hast du 50 Minuten. Und die 50 Minuten auf der Bühne kannste von der ersten bis zur letzten Minute voll Power geben, und mußt dir die Kraft nicht so einteilen, wie ich es als Schlagzeuger oder David als Sänger machen müssen, wenn wir Headliner sind. Im Endeffekt konzentriert sich das Ganze auf 3 bis 4 Stunden Arbeit am Tag inclusive Soundcheck, Aufbauen. Show spielen, Abbauen- und der Rest des Tages ist frei Du hast ´nen schönen Nightliner mit Betten drin, wo du über Nacht fährst und am nächsten Tag in ´ner fremden Stadt in ´nem fremden Land aufwachst. Dann gehst du erstmal raus, guckst Dir die Sehenswürdigkeiten an… ja und das nicht als halben Urlaub zu bezeichnen wäre, glaub ich, schon fast ´ne Frechheit. Gut, dann kommen ja noch Interviews dazu- aber das ist ja keine Arbeit in dem Sinn für uns.

Gottseidank. Für David ist es ja die erste Japantour. Lampenfieber?

David: Nicht wirklich. Aber es ist schon sehr aufregend, dass wir jetzt wieder nach Japan können. Ich meine, als ich zur Band dazustieß, waren sie praktisch gerade aus Japan zurückgekommen. Und es läuft dort drüben schon ein bißchen anders. Rockmusik hat dort schon eher den Stellenwert, den Pop in Deutschland hat. Und in Japan ist man dann halt schon ein bißchen mehr Rockstar. Und wir werden dort auch in schönen großen Hallen spielen

… und diese langen Stretch-Limousinen haben?

Ja klar, nur große Limousinen und kleine Flugzeuge um von einem Gig zum anderen zu kommen, klar!

Der Rest geht unter in Gelächter.