Neues vom wirren Kommissar

Carlo Schäfer las aus dem Heidelberg-Krimi „Silberrücken“, Karlsruhe, 4.4.2006

Eher unscheinbar sieht er aus, dieser Carlo Schäfer. Seine Berufsbiographie – Abteilung „das bürgerliche Leben“ lässt denn auch keine kriminellen Ansätze erkennen. Früher war er Hauptschullehrer, jetzt ist er Dozent an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg tätig. Dieser Mann hat einen erfolgreichen Kommissar ins zum Erstarren klar konturierte Heidelberg gesetzt, den Hauptkommissar Theuer, der von Rezensenten kurz als „desillusioniert“ beschrieben wird. Nun ja, das sind sie ja wohl alle, die modernen fiktiven Ermittler.

 

Aber dieser Theuer, der schon drei Fälle gelöst hat, macht sich in „Silberrücken“ (der erst im Mai erscheint) an die Lösung eines Falls, bei dem offenbar ein riesenhafter Affe („Pelzkubus“) einen dreizehnjährigen Jungen getötet hat. Das zumindest verrät der Teil des Romans, den Schäfer dem begeisterten Publikum im eklatant gut besuchten Feuerbachsaal der Kunsthalle am Dienstagabend vortrug. Der Kommissar, ratlos? Eher ein Spielball in alle Richtungen zerrender Kräfte, sprich eines komplett ins Irre diffundierenden Ermittlungsteams. Der Kommissar selbst offensichtlich mindestens ebenso mit dem geistigen Verarbeiten seiner Umwelt beschäftigt wie mit der Lösung des Falles. Unterdes und zwischendrin überhaupt scheint der Fall in weite Ferne zu rücken. Man sieht Theuer zu, wie er den Ermittlungen zusieht, die sich im Kreise drehen. Wer frühere Theuer-Krimis kennt, weiß, dass dieser Kommissar gelegentlich in die Luft guckt und sich ein Land herbeiträumt, in dem nur Bären leben, die in einer Zeitung lesen, die über Lachs und Honig berichtet. Ja. So, nun die Realität. Man erlebt einen skurrilen Elternabend mit, bei dem der Kommissar sich Tiraden eines ewigen Theologiestudenten anhört, dem der Autor eine Semesterzahl von etwa 800 zuschreibt. Geht es noch um den Fall? Ist es nicht viel interessanter, was für Menschen die Mitschüler des toten Anatoli sind, die auf Klassenfahrt von Eckernförde nach Heidelberg gekommen sind? Schäfers Sprache ist präzis: Seine pubertierenden Jugendlichen sprechen eine Sprache, die er nicht erfinden musste. Die ist beobachtet, nie gewollt auf komischen Effekt getrimmt. Wo gewollte Komik ist, kommt sie gerne süffisant schwarz: ein potentieller, aber kranker Zeuge lässt den Kommissar wissen, aufgrund seines Leidens plane er nicht mehr lange zu leben und man möchte eventuelle anfragen bald an ihn richten. Ganz faszinierend sind Schäfers Beschreibungen des Ermittlerteams. Da ist der stets blödsinnig betrunkene Haffner („wenn er nicht rauchte, schlief er und wenn er rauchte, trank er“) der Muttersohn Leidig, „viel lieber als die Mutter zu besuchen, wäre er durch die Kanalisation nach Hause gekrochen“ und ach, ist es nicht das reine Vergnügen, wenn ein Erfinder seine Figur ganz schlicht mit „der wirre Hauptkommissar“ beschreibt. Schäfer, der sich zunächst als eher unspektakulärer Vorleser seines Werkes geriert, nimmt in der guten Stunde atemloser Rede Fahrt auf: Wo Beschleunigung sein maß, da ist sie, wo Entschleunigung sein muss, auch diese. Das Publikum dankt mit amüsierter Akklamation, der Autor klappt die Kladde zu, als sich gerade Spannung einstellen will. Aber das müssen Krimi-Vorleser ja so machen. Noch Fragen? Einer will wissen, ob es denn schon Angebote zur Verfilmung gebe. Nein, das nicht. Aber man könne ja Unterschriften sammeln, empfiehlt der Autor, Der erste Theuer-Krimi, immerhin, wird gerade ins Russische übersetzt.