Computer an die Schule? Nein, danke!

Begegnung mit Prof. Dr.Dr. Manfred Spitzer, Grünhaus der Stadtwerke Ettlingen, 11.6.2013

„Jeder Tag, den ein Kind ohne digitale Medien zugebracht hat, ist gewonnene Zeit“: Das ist die These, die der Psychiater und Gehirnforscher Dr. Dr. Manfred Spitzer in seinem viel diskutierten und kritisierten Buch „Digitale Demenz“ vertritt. Er warnt vor den Wirkungen von Internet, sozialen Netzwerken und Fernsehen auf das Gehirn von Kindern und Jugendlichen. Seine Thesen stellte er vor beim 6. SRS Wirtschaftskongress am Donnerstag in der Buhlschen Mühle in Ettlingen mit dem Thema „Entschleunigung – Herausforderungen an das Management“.

„Die, die mich am Anfang kritisiert haben, haben gesagt, ich wolle in die Steinzeit zurück, und hasse Medien. Das steht nirgends. Ich arbeite mit dem Computer und dem Internet. Als Wissenschaftler und Mediziner geht es garnicht anders. Ich bin der letzte, der die verteufelt. Aber: Der Mediziner weiß auch etwas über Risiken und Nebenwirkungen“ sagt der ärztliche Direktor der psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm im BNN-Gespräch. Spitzer bezieht sich auf „Studien, die zeigen: für jede Stunde, die sie mehr ferngucken in Kindheit und Jugend sind Sie als Erwachsener 35 Prozent wahrscheinlicher kriminell und 37 Prozent wahrscheinlicher arbeitslos“. Spitzer vergleicht das Suchtpotenzial der digitalen Medien mit dem des Alkohols – und Computer schadeten ebenfalls der Entwicklung des Gehirns. Nun sei es Konsens, Kindern keinen Alkohol zu geben. „Warum sagen wir das nicht bei Computern auch?“

Spitzer ist überzeugt: Computer haben zumindest weder im Kindergarten noch an Grundschulen etwas zu suchen. „Wenn Politiker sagen, wir brauchen noch mehr Computerspiele im Kindergarten, und das sagt die Enquètekommission des Bundestages, dann ist das kriminell“. Wenn die Forderung „Computer an die Schule“ in einem Elternabend erhoben werde, dann solle man als Vater oder Mutter schon mal sagen „dass wir auf jeden Fall erstmal Lehrer brauchen“. Den Einsatz von Lernsoftware oder digitalen Medien wie Smartboards im Jugendalter sieht er ebenfalls skeptisch: In Großbritannien habe man vor 10 Jahren einen Teil der Tafeln in den Klassenzimmern durch Smartboards ersetzt, vor drei Jahren hätten bereits neue für rund 65 Millionen Euro angeschafft werden müssen: „Auf Deutschland umgerechnet wäre das eine Viertelmilliarde jährlich. Dieses Geld müsste aus dem Bildungsetat kommen. Dafür können sie eine Menge Lehrerstellen schaffen. Von einem Smartboard gibt es keinerlei empirische Evidenz, dass das in der Schule irgendwas verbessert“.

Im Buch erwähnt er immerhin eine Mathematik-Software, die er einem kritischen Test mit positivem Ergebnis unterzogen hat. „Wenn es ein pädagogisches Ziel gibt, das ich mit Tafel und Kreide und Lehrer nicht erreichen kann, dann habe ich nichts gegen Computer. Nur erstmal Computer anzuschaffen, und zu denken, das wird schon, ist der falsche Ansatz“. Die Befürworter digitaler Medien führten meist ins Feld, Jugendliche müssten Medienkompetenz frühzeitig erlernen, um die Herausforderungen der digitalen Welt annehmen zu können. Spitzer hält den Begriff „Medienkompetenz“ für schwammig. „Die Medien sind heute so einfach zu bedienen. Sie müssen ihren Suchbegriff eingeben, und fertig. Dafür brauchen sie keine Medienkompetenz. Medienkompetenz, die den Namen verdient, erfordere Vorbildung und Allgemeinwissen. „So lange die Leute das mit Medienkompetenz das meinen, ist das völlig okay. Aber das meinen sie nicht.“