London Calling: Live In Hyde Park 28.6.2009

Sony / VÖ: 18.6.2010

Am 28. Juni 2009 steht Bruce Springsteen im Londoner Hyde Park auf der Bühne, vor rund 45.000 Zuschauern. Und erreicht jeden von ihnen, und stünde der noch so weit weg. Die DVD dokumentiert eindrucksvoll die schweisstreibende Orgie einer Band beseelter Rock‘n‘Roll Arbeiter. Springsteens Frage »Is there anybody alive in London?« kann nur eine rhetorische sein, denn eine glückselige Menge wogt in den Schallwellen dieser Band, die aus Menschen bessere Menschen machen kann.

Springsteen, damals 59 Jahre alt, schont sich nicht. Nicht die Stimme, nicht den Körper, nicht die Gitarre. Fast so, als müsse er die Menge da draussen unverstärkt erreichen. Die Band spielt wie ein Block, routiniert und doch leidenschaftlich. Born To Run und Jungleland sind Pflichtprogramm, spätere Hits wie ›Glory Days‹ kommen am Ende, und dazwischen erweist sich insbesondere Outlaw Petevom damals aktuellen Working On A Dream-Album als Live-Granate. ›Youngstown‹ ist Musik gewordene Sozialstudie, die sich vom Folksong in eine Lofgrensche Gitarrenorgie wandelt. Der und Steve van Zandt ziehen mit großer Gelassenheit auf der Bühne Kreise, Bassist Gary Tallent dagegen hat das Bewegungsprofil eines Garderobenständers. hinten prügelt indes spitzbübisch lächelnd Viervierteltaktmeister Max Weinberg mit dem Gesichtsausdruck eines Wissenden stoisch auf sein Drumset ein. Bei Born To Run (»I wanna die with you in the streets tonight in an everlasting kiss«.) ringt der Boss schon hörbar nach Luft, aber in den schier endlosen Lärm-Schluss des Songs verkündet er »Too late to stop now«. Ja, Adrenalin ist ein geile Droge und Kontraste sind das Salz in der Suppe: Hard Timesnimmt den großen Vogel Hoffnung mit grandiosem Gospelchor ins intimst mögliche Format zurück, das auf einer solchen Riesenbühne geht. Schnitt. ›Jungleland‹, das sich vom feinperligen Piano-Intro Roy Bittans bis zum ganz großen Metropolenkino aufpumpt, folgt. Begleitet vom zigtausendfachen Einverständnis von Künstler und Publikum im Chor »down in jungleland«. Dessen erlösender Satz »the hungry and the haunted explode in Rock‘n‘Roll bands« als ungeschriebenes Getsetz über diesem magischen Abend steht. Wer zuhause die Lautstärkeregler auf 11 stellen darf, hat das Gefühl, selbst dabei gewesen zu sein.

10/10