Die Tradition im Finger

Kai Strauss & The Electric Blues Allstars, Jubez, Karlsruhe, 30.10.2018

Karlsruhe sei für ihn eine Premiere, sagt der Mann mit der Gitarre, und erntet Widerspruch aus dem Publikum. Nein, er sei schon mal dagewesen, mit einer anderen Formation, schallt es ihm entgegen. „Ihr erinnert euch, ich nicht“, meint er lapidar und hebt an zu einer Doppel-Lehrstunde in Sachen Blues, die dann anhand der Publikumsreaktionen im kleinen Jubez-Saal doch die Illusion aufkommen lässt, er sei jedes Jahr dagewesen. Einer wie er ist jedenfalls hier nicht oft zu hören. Denn Kai Strauss und seine Electric Blues Allstars passen nicht in die Riege (durchaus respektabler) Blues-Neuerer, die mit Rock- oder gar Pop-Spielweisen flirten, die wahlweise im wallenden Wohlklang sich suhlen oder am nächsten Morgen desertieren und eine Metal-Band eröffnen könnten.

Nein. Strauss, mit diversen Preisen ausgezeichnet, steht vor allem für einen gut geerdeten Blues zwischen Texas und Chicago, und wird dafür auch in den USA geschätzt. Viele Kooperationen mit US-Bluesmusikern belegen es. Von den ersten Tönen an setzen Strauss und seine dynamische Band auf Intensität statt auf Exzess. Dass hier Traditionalisten am Werk sind, signalisieren schon mal die schwarzen Anzüge: Echte Blues Brothers eben. Strauss selbst ist auf der Gitarre ein Meister der Selbstbeschränkung, ein Werbeträger für das Banner „weniger ist mehr“. Seine Stratocaster klingt warm, unmittelbar. Den Sound macht er allein mit Plektrum und den Fingern, mit der Anschlagsdynamik. Irgendwelche üppigen Effektgeräte-Batterien sucht man vergebens auf dieser Bühne. Seine Stimme passt mit ihrem nasalen Tremolo, und erinnert in manchen Momenten nicht nur von Ferne an Robert Cray. Besonders wenn er Zeilen singt wie „hold her in your arms and squeeze her every night“. Das braucht ganz viel Soul, sonnst klingt es kitschig. Und das hat es auch.

Egal ob Frendmaterial oder Eigenes, immer strahlt diese Band eine raubeinige Eleganz aus, die mit Lässigkeit nur unzureichend beschrieben ist. Etwa in „I ain‘t buyin it“. bei dem Thomas Feldmanns Bluesharp klingt, als sei sie ein ganzes Bläserensemble. Da setzen Kevin DuVernay (Bass) und Alx Lex (Schlagzeug) in „What You Do“ nachhaltige Bewegungsenergie im Publikum frei. Da lässt der „Highway Blues“ dem Gitarristen viel Raum für unaufgeregtes solistisches Ausloten des Griffbretts. Und immer wieder dankt das Publikum den traditionsbewussten Musikern mit ebenso traditionellen Ritualen, die man so wohl nur noch bei Konzerten eben dieser Art findet: Strauss bekommt ebenso wie der junge Keyboarder Nico Dreier für seine Soli immer wieder – im Lauf des Abends zunehmenden – frenetischen Szenenapplaus.