„Mir sinn’ dabbisch un mir sinn’ froh“

Arnim Töpel mit seinem kurpfälzischen Programm „Newa de Kapp“ im Jubez, Karlsruhe, 22.7.2006

Arnim Töpel ist Kurpfälzer – zwar nicht ererbt („meine Eltern sind erst vor 50 Jahren in die Region gezogen“), aber gelernter. Bisher hat es dieser ganz große Kleinkünstler geschafft, nur wenig von seiner mundartlichen Sozialisation in seine Programme einfließen zu lassen, aber mit „Newa de Kapp“ greift er in die vollen. Gleich ein ganzes Programm zum Lobe dieser kraftvollen Sprache, die für denn Karlsruher geographisch nah und doch so fremd ist. Für ihn als Nachfahre gebürtiger Berliner stand zunächst einmal eine nicht ganz einfach sprachliche Sozialisation auf dem Lebensplan.

Die begann im Kinderwagen mit der Frage der wohlmeinenden Betrachter „Willsch ä Gutsel?“. Der ganz junge Arnim erkennt schnell: Das hat Kraft, das hat Stil. Und ist zudem eine Sprache, die Respekt vor Lebensmitteln hat. Während man vielerorts Menschen „dumm wie Brot“ nenne, heißt es im Kurpfälzischen „bleed wie ä Peckl Omo“. Mit Hilfe des eingeborenen Klassenkameraden Bernd, der ihn der Einfachheit halber „Günder“ nennt, soll die holde Weiblichkeit becirct werden. „Y-von-ne“ (eigentlich mit einem langen betonten „ä“ am Schluss) ist das Objekt der Begierde. Allein wie sie so schön „hajo“ sagt. Der Antrag, den Bernd stellvertretend für „Günder“ macht, ist einfach, aber leider nicht überzeugend: „Y-von-nä, du weesch wie’s isch. Alla!“ Töpel warnt eindringlich vor „Babblern“. Denn Normalerweise läuft einen Begegnung auf der Straße nach strengen Regeln ab. Der eine fragt: „Unn?“, schiebt nach einer kleinen Pause dann ein „wie?“ hinterher. Der andere hat darauf mit „selwa?“zu antworten. Aber wehe, er weicht ab. Dann kann es Stunden dauern. Töpel besingt das und alle anderen wichtigen Fragen in seinem immer nah am Blues gebauten, expressiven Gesang. Stampfend und schlingernd, gereimt und gehaucht, Stakkato und geschmeichelt. Am schönsten wird es, wenn er um einem Publikumschor buhlt: „Guck mol do, mit sin dabbisch un’ mir sinn froh“. Keine Agnung, warum die Karlsruher dann doch nicht mitsingen. „Des schäänschde Word, wu mir hawwe….“ führt er gleich nach der Pause ein Na? „Fer umme!“ Umsonst, klostenlos. Ein so schönes Wort flüstert man nicht, das brüllt man. Das singt man nicht, man tanzt es, stampft es. Beschwörend, hypnotisierend. Man muss sich einen ganz Stamm Indianer vorstellen, der über Minuten dieses „Fer Umme“ zelebriert. Nun entwickelt der „Günder“ zunehmend Eigenleben im Arnim (bzw „Ammin“, wie er sein alter Ego durchgängig nennt). Die Dialektstimme wird zum Alter Ego und reklamiert für sich, die Stimme der Vernunft zu sein, nimmt die „Singlewelt“ auf die Schippe und holt Provinz-Festredner vom Podest: „I have a dream“, schmettert sie. „Dass die ganz Weld unsään ranzische Käs kaaft“. Und gegen Schluss drängt alles zu den großen Fragen des Lebens: „Wemm g’heersch ’n Du?“. Mit der kurpfälzischen Version des Doors-Songs „Summer’s almost gone“ schleicht sich eine weitere Frage ein: Warum gibt es kaum Rockmusik, die sich dieses wunderbaren Dialekts bedient? „Was immer Du tust, tu es nicht ohne Liebe“, singt er in der Zugabe. Die ist aus einem anderen Programm – und doch könnte der Satz als Motto über „Newa de Kapp“ gestanden haben.