Eine Familie musikalischer Grantler

Hans Well und die Wellbappn im Tollhaus, Karlsruhe, 1.2.2019

Ein bayrisches Urvieh, ein Familienmensch mit sieben Brüdern und sieben Schwestern: Hans Well, dereinst Texter für die Drei-Brüder-Band Biermösl Blosn, hat nach deren Auflösung mit seinem Sohn Jonas und seinen Töchtern Tabea und Sarah einfach weitergemacht. Und zwar genau da, wo die Biermösl Blosn 2012 aufgehört hatten – als Werbeträger für unverfälschte bayrische Volksmusik, die er und die Seinen sowohl früher als auch heute mit massiver Sozialkritik, anrührenden Expeditionen in bayrische Befindlichkeiten und das Anstänkern gegen die Allmacht der CSU garnierte und garniert.

Die Zusammenarbeit mit der Nachfahrengeneration hat vor allem musikalisch wie eine Frischzellenkur gewirkt, denn Wells Sohn und seine Töchter machen dem „Bappa“, wie sie ihn liebevoll nennen, ab und an in Sachen Handwerk was vor, und lassen es ihn gelegentlich auch scherzhaft spüren: „Für das nächste Lied hat der Bappa vier Monat‘ g‘übt“. Scheinbar mühelose wechseln sie zwischen mehr als einem Dutzend Instrumenten, darunter Gitarren, Trompete Voline, Kontrabass, Scherr-Zither, steirische Mandoline und gar einem Brummtopf. Die Grenzen der volkstümlichen Musizierweisen sprengen sie so nebenbei auch noch. Da wird der Autowahn vom „Elektro SUV“ bis zum „Daimler Demenz“ (für greise Fahrer) veräppelt, dazu schrammelt und tutet die Kapelle einen akkuraten Mix aus Metal-Riffs und Techno. Respekt!

Grandios ist schon der Einstieg mit einem eigens gedichteten, mit überprüfbaren Fakten gespickten Lied über Karlsruher Befindlichkeiten. Es klingt gerade, als hätten sie wochenlang im Rathaus und in den Wirtshäusern Mäuschen gespielt. Aber die Kernkompetenz des Familie Well liegt bekanntlich in der Vermittlung von gnadenlos tiefen Einblicken in die bayrische Seele. Das Grauen der Provinz, die ganze Tristesse aus Bauzentrum, Fressnapf und Dönerbuden kulminiert in der Hymen an Olching „ein Paradies am Ampferstrand“. Man riecht, schmeckt und durchleidet dieses ganz spezielle Heimatgefühl förmlich, das in einem Vergleich endet, der garstiger kaum sein könnte: „Du bist einzigartig anzusehen, fast bist du wie Pforzheim so schön“. Dort in dieser Provinz gibt es auch den bedauernswerten Bauern, der von skrupellosen Bänkern in den Ruin getrieben wird. Sein Abgang in der Moritat, die als „Andante con Brummtopfo“ vorgestellt wird, ist ganz in typischer Well-Manier extrem schwarzhumorig, denn er „geht zum Pflanzenschutzdeputat und sauft a volle Mass Glyphosat“.

Es hat schon was Rührendes, fast Tragikomisches, wenn man als Urbayer 35 Jahre mit den Biermösl Blosn gegen die CSU-Allmacht angestänkert hat, und sich auch im Zeitalter der Wellbappn eigentlich nichts ändert. Bei Hans Wells Lesung aus dem „Buch Bavariae“ fragt man sich als Zuhörer schon: Ist es Verzweiflung oder Realitätsflucht, wenn man den Absturz um 10 Prozent bei den letzten Landtagswahlen schon als Katastrophe für die CSU interpretiert?