Zartbitter bis hoffnungsvoll

Sandie Wollasch und das Klaus Wagenleiter Trio in der Kulturhalle Remchingen, 4.3.2022

Sandie Wollasch hat mit „Better“ ihr drittes Soloalbum vorgelegt. Anders als bei den vorigen Werken hat sie die Musik komplett im Alleingang komponiert und mit dem Klaus Wagenleiter-Trio (der Rhythmusgruppe der SWR-Bigband) Mitstreiter gefunden, die musikalisch und emotional mit ihr auf einer Wellenlänge liegen. Pianist Klaus Wagenleiter, Drummer Guido Jöris und Bassist Andi Schmid (der an diesem Abend Decebal Badila vertritt) werden auch beim CD-Release-Konzert in der Kulturhalle diesem Anspruch gerecht.

Die zartbittere Melancholie, die sich durch das gesamte Album zieht ist aber zugleich mit Hoffnung und Zuversicht getränkt. Der Titelsong, mit dem das Konzert beginnt, braucht nur wenige hingetupfte Piano Akkorde, und dann fliegt diese Stimme davon, die in wenigen Momenten die gesamte emotionale Palette durchmisst und dabei nie der Versuchung erliegt, in prätentiöse Manierismen zu verfallen.

Der Charme und die Präsenz dieser Stimme kommen auch deshalb zur vollen Entfaltung, weil das hochkarätige Trio sich seiner begleitenden Funktion bewusst ist, ohne dabei seine musikalische Kompetenzen zurückzunehmen. Das sind tiefenentspannte Könner, die niemandem etwas beweisen müssen. „Die spielen mit ganz viel Herz und Virtuosität, da kannst du dich als Sängerin einfach reinfallen lassen“, hat die Sängerin kürzlich in einem BNN-Interview geschwärmt. Und so ist es.

Sie malen die Musik nach Bedarf in Pastellfarben oder hell leuchtend und stellen sie in den Dienst der Stimme, auf dass sie Platz zum Atmen habe. Auch dann, wenn es, wie in „Peace Of Mind“ etwas zupackender zu Sache geht. Oder wenn in „It’s Just A Matter Of Time“ Lebensfreude greifbar wird und die Sängerin zur Tänzerin wird. Mit „Flagship Model“ hat sie sogar eine tanzbare Nummer im Programm, die die Grenze zu intelligent gemachter Popmusik mit flatterhafter Leichtigkeit überschreitet. Wie überhaupt diese zwei Stunden vielseitiger Musik mit dem Etikett „Jazz“ nur unzureichend beschrieben wären. Aber wer braucht schon Schubladen, wenn er von Songs wie „Curse Or Blessing“ gepackt wird.

Da ist es, dieses ganz bestimmte, diffuse „nachts um halb drei an der Bar-Gefühl“ mit einem doppelten Schuss Blues. Dabei singt Sandie Wollasch nicht einfach nur, sondern durchlebt den Text mit Mimik und Gestik einer Schauspielerin. Weil sie sich der Qualitäten ihrer Musiker wohl bewusst ist, bekommen die mehrfach Gelegenheit, in Instrumentalstücken zu brillieren. Richtig explosiv wird es in einem Latin-Jazz-Stück der brasilianischen Sängerin und Pianistin Tânia Maria, bei dem Schlagzeuger Guido Jöris den letzte Zweifler überzeugt, dass Schlagzeugspielen deutlich mehr als „trommeln“ ist. Sondern lebende, pulsierende Musik, die auf die Höhenflüge der beiden Mitmusiker noch einmal ein Ausrufezeichen setzt.

Mit „So Unconditionally“ neigt sich das Konzert dem Ende zu. Sandie Wollasch greift zur akustischen Gitarre („Mein Vater meint, das steht mir gut“) und sagt fast entschuldigend, sie habe nun leider nicht die komplette Bläsersektion der Studiofassung mitbringen können, aber da sei doch vielleicht ein Saxofonist im Saal? Tatsächlich taucht Andi Maile – ebenfalls ein alter Hase der SWR-Bigband – wie der Deus ex Machina hinterm Vorhang auf und veredelt das sich dramatisch steigernde Stück mit einem funkensprühenden Solo. Furios, fantastisch, folgenreich: Standing Ovations.