Hallo Rock’n’Roll, wir kommen“

Zöller & Konsorten im Tollhaus, Karlsruhe, 2.10.2016

Jürgen Zöller zählt zu den wenigen noch aktiven deutschen Rockmusikern, die schon aktiv den Beat-Boom der 60er Jahre erlebt haben. Gerade ist er 69 Jahre alt geworden, ungefähr 53 dieser Jahre hat er getrommelt. Die Höhen und Tiefen eines bewegten Musikerlebens waren im 2008 erschienenen Buch „Jürgen Zöller… selbst“, nachzulesen. Das Album „Flucht nach vorn“ das er mit seinen Konsorten eingespielt hat, macht daraus nun episodische Songs, schlaglichtartige Momentaufnahmen.

„Hallo Rock’n’Roll wir kommen“ setzt das Zeichen. Mit geradlinigem, hartem Gitarrenrock unterfüttert, singt der Trommler vom ersten Auftritt, zu dem man im völlig überladenen Auto vier Kilometer über Land fuhr, aber mit dem Stolz von Männern, die eine Mission haben.  

Zöller, der in jenen Zeiten des öfteren die Leadstimme in seinen Bands übernahm, ist natürlich heute kein begnadeter Sänger im technischen Sinne. Aber wer sollte diese Geschichten von gelebtem Leben sonst singen und glaubwürdig und anschaulich erzählen? Die von dem Groupie Puppa, von der Discothek Top Cat – einem inhabergeführten Gangsterladen – von harten Lehrzeiten als Tanzmusiker oder dem wilden Jahr im Hippie-Paradies Torremolinos. Alles kein Stoff für Belcanto. Die Konsorten sind schon von Alter und Herkunft genau die Leute, die das umsetzen können: Gitarrist Lyle Närvänen spielt dann akrobatisch, wenn man es braucht, aber nur dann. Er spielt eine bärbeissig knarrende Gitarre, die alle Räume dicht macht. Da kann man verschmerzen, dass der zweite Gitarrist Christof Stein-Scheider an diesem Abend nicht dabei sein kann. Panik-Orchester Urgestein Steffi Stephan am Bass ist wie Zöller mit dem Gespür für grundsolides, songorientiertes Spiel ausgestattet. Tony Carey schliesslich bringt mit seiner Orgel das Quäntchen Seventies-Classic-Rock Gefühl ins Spiel. Klar, dass ein Album, das einen solchen Rock’n’Roll Lebensweg nachzeichnet, auch ums Thema Drogen nicht herumkommt. Der Song „Nie wieder LSD“, den der Schlagzeuger mit der Geschichte eines umwölkten Supermax-Auftritts (ja, auch da spielte er mit!) einleitet, bietet denn auch die adäquate akustische Umsetzung. Düstere Akkorde, erratische Klangströme kriechen wie unguter Nebel auf schleppender Rhythmusgrundierung einher. Nach diesen paar Minuten versteht man, wie es sich anfühlt, wenn man in den Garderobenspiegel schaut und glaubt, sein Schädel habe sich soeben in zwei Hälften gespalten.  Ansonsten regiert die geradlinige, stürmische Musik: „Dorthin, wo die Lautsprecher steh’n“ ist eine Hommage an die seligmachende Kraft des Rock’n’Roll, ein Wegweiser zu den Dezibeln und natürlich auch die Erkenntnis, eigentlich nichts falsch gemacht zu haben, wenn man diesem Ruf über 50 Jahre lang gefolgt ist. Der gebürtige Kölner, der lange in Frankfurt gelebt hat und nun seit fast 20 Jahren in Karlsruhe lebt, ist längst ein bekennender Karlsruher geworden. Die Standing Ovations im voll besetzten kleinen Tollhaus-Saal jedenfalls zeigen: Die Liebe beruht auf Gegenseitigkeit.