Will Romano
Prog Rock FAQ
All that’s left to know ablout Rock’s most progressive music
Will Romano ist ein amerikanischer Musikjournalist, der unter anderem für die New York Post, Modern Drummer und VH 1 arbeitet. In Prog Rock FAQ befasst er sich nicht nur mit der Musik als solcher, sondern auch mit kulturellen, technologischen und sozialen Faktoren, die den Hintergrund der musikalischen Entwicklung bilden. Romano stellt sein Buch als eine Art alternative Geschichte des Progressive Rock vor. Erklärtes Ziel des meinungsstarken Autors ist es, aus seiner Sicht unterbewerteten Künstlern wie Echolyn, Billie Richie oder Peter Banks Aufmerksamkeit zu verschaffen. Bisweilen treibt dieser Anspruch seltsame Blüten: Warum er etwa John Payne, dem Interims-Sänger von Asia, sieben Seiten einräumt, bleibt sein Geheimnis. Andererseits stellt er innovative „Randfiguren“ wie den früheren Van Der Graaf Generator Saxofonisten David Jackson in ausführlichen Interviews vor. Das Thema Konzeptalben beleuchtet er von einer neuen Seite:. Warum es großartig ist, aber eben kein Konzeptalbum, heisst die Überschrift für die Betrachtungen über (unter anderem) 2112 (Rush), Grand Hotel (Procol Harum) oder Dark Side Of The Moon (Pink Floyd), Ein Kapitel widmet sich dem Mellotron, eines zwei obskuren Bands der italienischen Prog-Rock-Szene, ein weiteres epischen Werken mit Überlänge von ›Thick as A Brick‹ bis ›Echoes‹. Wie weit Romano das Genre definiert, lässt sich an der Einbeziehung von Zappa und dem Kraftwerk-Ableger Neu! ermessen. Ein ausführliches Kapitel diskutiert den Niedergang des Genres zu den Hochzeiten von Punk. Es ist nicht das einzige, das reichlich Diskussionsstoff bietet.
Backbeat Books (Englisch) 2014, 370 Seiten, 24,99 €
Frank Schäfer
Die Neuerfindung des Rock‘n‘Roll
Essays
Der Hannes Bauer, das ist doch der eine Gitarrist von Udo Lindenberg, der linkshändige. Klar, das weiss jeder. Aber dass Bauer dereinst das geilste Trio Bauer, Garn und Dyke führte, weiss heute kein Schwein mehr. Frank Schäfer holt jene einzigartige Kapelle, die tatsächlich bluesigen Hardrock auf deutsch hinkriegte, im Kapitel ›Keine Pausen schon seit Oberhausen‹ aus dem Nebel des Vergessens. Gäbe es sonst nichts in dieser Textsammlung zu entdecken, sie wäre das Geld wert. Obwohl der Vielschreiber die Zusammenstellung der bereits in verschiedenen Publikationen erschienenen Essays im Vorwort als Gelegenheitstexte markiert, gibt es dennoch einen roten Faden:, »denn diese Sammlung trägt dem Umstand Rechnung, dass die ganze populäre Musikhistorie eigentlich nur passiert ist, damit es irgendwann Metal gibt«. Wer unter dieser Prämisse liest, stellt fest: Da ist tatsächlich was dran. Dabei arbeitet derAutor mit verschiedenen Perspektiven. Im Kapitel ›Kleine Kulturgeschichte des Gitarrenhelden‹ gibt er den weitgehend sachlichen Musikhistoriker mit Detailkenntnissen des Instruments. Im Kapitel ›Hallelujah I love her so‹ glaubt man ihn süffisant lächeln zu sehen, während er sich über Versuche amüsiert, Popmusik auf den rechten, den christlichen Weg zu bringen. Im Woodstock-Kapitel analysiert er nachvollziehbar, dass Hendrix‘ Version der amerikanischen Nationalhymne kein so eindeutiges politisches Statement war, wie wir alle gerne glauben wollen. Wenn er die immense Energie von Rory Gallaghers Live-Auftritten beschreibt, wähnt man ihn mitten im Publikum, den Puls von Gallaghers kleinem Kofferamp auf Hochtouren gebracht. Manchmal braucht es nur einen Satz in einem längeren Text, um alles Wichtige über eine Band zu sagen: »Hawkwind sind Kunstkacke im Quadrat und einer der Gründe, warum es später Punk geben musste. Andererseits bestehen sie auch nicht aus Konservatoriums-Absolbneten, die den Graben zwischen E- und U überbrücken wollen und sich in langen Klassik-Exegesen ergehen, sondern aus musikalischen Dilettanten, die einfach gern ein paar Trips einwerfen und dann zusammen improvisieren, bis die Wirkung nachlässt.« Alles gesagt. Ach so, der Metal: Nach der Lektüre des Kapitels über die Anfänge von Judas Priest spürt, riecht und schmeckt man förmlich, woher das alles kommt und wohin es geht. Von ganz unten nach ganz oben.
Andreas Reiffer verlag, 2020, edition kopfkiosk, 134 Seiten, 9.50 Euro
Rolling Stone – 1000 Cover
„Als das Magazin 1967 startete, verstand ich nicht, wie wichtig ein Cover war, und all die Dinge, die es bewirken konnte. Es definiert nicht nur die Identität eines Magazins, sondern bestimmt größtenteils den Verkauf und verleiht zudem der Person auf dem Cover einen besonderen Status“. Weise Worte von Jann S. Wenner, Gründer und Herausgeber des Rolling Stone. Große Worte dann auf Seite 5 des 567 Seiten dicken, zwei Kilogramm schweren Wälzers: „Seit fast vier Jahrzehnten gibt es kein deutlicheres Zeichen , das die Ankunft eines Künstlers oder einer Persönlichkeit ankündigt, als eine Abbildung auf dem Cover des Rolling Stone“. Nun gut, der Künstler, der das Cover der Nummer eins ziert, war schon da: John Lennon – umgeben von Bleiwüste. Das sollte sich ändern. Bald nahmen die Fotos den ganzen Raum der Frontseite ein, ab Februar 1973 wurden sie farbig. Selbstredend ist die komplette Dokumentation der (originalen amerikanischen) Rolling Stone Covers mehr als ein bunte Bilderbuch zum Blättern: 40 Jahre Zeitgeschichte, 40 Jahre Rock’n’Roll, 40 Jahre Politik aus einem (weitgehend) ideologiefreien journalistischen Blickwinkel. 40 Jahre Versuch der Einordnung popkultureller Phänomene und gesamtgesellschaftlicher Zusammenhänge. Das Buch liefert zu den Titelfotos Appetithäppchen, die Schlaglichter auf die porträtierten Persönlichkeiten werfen. Schon früh blitzt der durchgehende Kanonisierungs-, Heiligsprechungs- und Listenerstellungswahn auf. Das steht zu einem Titelbild von 1976 „Janis Joplin gehörte zu der ausgewählten Gruppe schillernder Popfiguren, die selbst so bedeutungsvoll waren wie ihre Musik. Unter den amerikanischen Rock-Künstlern stand sie an zweiter Stelle nach Bob Dylan, was die Wichtigkeit der Schöpfung / Veröffentlichung /Verkörperung der Geschichte und Mythologie ihrer Generation betraf“. Ach, tatsächlich? Im Rolling Stone werden die Journalisten selbst zu Stars – was dem Journalismus nicht gut tut. Schon die Häppchen in diesem Buch künden davon: Da will Billy Idol 1985 unbedingt aufs Rückcover. Der Autor der zugehörigen Geschichte entblödet sich nicht, eine halbe Seite diesen idiotischen Dialog wiederzugeben. Aber so kennen und lieben wir ihn, unseren Rolling Stone, den amerikanischen (und letztlich auch den deutschen). Ein anregendes Bilderbuch werfen die 40 Jahre allemal ab, dessen Genuss umso reueloser ist, je mehr man ihn in dem Bewusstsein zelebriert, dass auch der Rolling Stone nur ein Popmusikblättchen mit ein paar ganz begabten Schreibern ist. Die gelegentlich mit seherischen Fähigkeiten ausgestattet, gelegentlich von zweifelhaftem Geschmack sind. Nicht mehr und nicht weniger.
567 Seiten, ca. 1000 farbige und schwarz-weiße Abbildungen. Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2007, 567 Sieten, 49.90 €
The Living Years. The First Genesis Memoir
„Michael, Du bist der Sohn eines Marineoffiziers, du musst dich jederzeit wie ein Marineoffizier verhalten und immer stark sein“. Das waren die Worte, die Captain William Francis Henry Crawford Rutherford seinem Sohn Michael mitgab. Mit dem Tod des Vaters beginnt die erste Autbiografie eine Genesis-Mitglieds. Rutherford benutzt einen – zumindest für Rockmusiker-Biografien – ungewöhnlichen literarischen Kniff: er stellt sein Leben gegen das seines Vaters. Reichlich Material dafür hat er bei der Hand: Immer wieder zitiert er Passagen aus der unveröffentlichten Autobiografie des alten Rutherford, und beleuchtet damit zugleich den ungewöhnlichen familiären Hintergrund der Genesis-Gründungsmitglieder, die allesamt „höhere Söhne“ waren. Wobei erstaunt, wieviel Unterstützumg der jungen Michael von seinem Elternhaus erfuhr, als er sich zur unsicheren Musikerkarriere entschloss.
Die wird eindringlich geschildert, wobei der Schwerpunkt auf den frühen Genesis-Jahren liegt. Die Zeit bis zu Peter Gabriels Ausstieg nimmt mehr als die Hälfte des Buches ein. Hier gelingen dem Gitarristen einfühlsame Nahaufnahmen seiner Bandkollegen, der unterschiedlichen Charaktere und ihrer Reibereien, des Reifeprozeses der Band bis zu einem verkaufbaren Markenartikel. Wer allerdings Rutherford beim Waschen Schmutziger Wäsche zusehen will, wird enttäuscht. Überraschende Enthüllungen wird er hier nicht finden, allenfalls das Bekenntnis, dass auch er schon mal kurz zum kolumbianischen Marschierpoulver gegriffen hat. Je größer aber Genesis wrd, je mehr die Solokarriere mit Mike and The Mechanics Fahrt aufnimmt, desto oberflächlicher wird der Report. Das Anekdotische gewinnt zunehmend Überhand über das Analytische. Fast scheint es, als habe der Autor auf den letzten Metern ein wenig das Interesse an sich selbst verloren.
Constable, London, 2014, 241 Seiten. ca. 22 Euro
Francis Rossi und Rick Parfitt mit Mick Wall
Die Status Quo Autobiographie
2005 erschien das englische Original unter dem Titel „XS All Areas The Status Quo Autobiography“, und der Titel suggeriert zu Recht; dass hier wirklich hinter die Kulissen geschaut wird. Die Herren Rossi und Parfitt lassen nichts aus auf dem Weg an die Spitze. Sie handeln ihre musikalischen Häutungen, Höhen und Tiefen ebenso wie ihre Suff und Drogengeschichten, ihre gescheiterten Ehen privaten Katastrophen ungeschönt, aber doch mit einer gewissen Milde ab, ohne sich dabei zu unkaputtbaren Überlebenskünstlern zu stilisieren. Mick Wall hat die beiden ihre Sicht der Dinge in jeweils hintereinander gestellten Kapiteln darstellen lassen. Eine gute Idee. Der Leser kann fasziniert verfolgen, wie zwei schon von ihrer Herkunft sehr unterschiedliche Charaktere zu einer gemeinsamen Sprache finden. Rossi spielt dabei den emotionsloseren Part: Er ist der kühlere Kopf, und der Antreiber, der das Schiff auf den richtigen Kurs hält. Parfitt dagegen kommt rüber wie das große Kind ist, das den Rock’n’ÄRoll Traum mit allen Konsequenzen auslebt: teure Autos, schöne Frauen und Feiern bis zum Exzess. Das Buch ist auch ein Lehrstück darüber, wie Musik unterschiedliche Menschen zusammenbringt. Aber zu was? Man ist am Ende dieser weitgehend spannenden Lektüre noch immer nicht sicher, ob Rossi und Parfitt das Band gewordene Klischee der klassischen Männerfreundschaft sind, oder ob einfach nur eine gut funktionierende Zweckgemeinschaft. Einziger Wermutstropfen ist die (zwar ordentliche) Übersetzung, die aber im Deutschen keine rechte Entsprechung zu ganz speziellen Anmutung des britischen Rock-Journalismus findet.
Hannibal Verlag, 2011, 384 Seiten, 19.99 €
Michael Lang / Holly George Warren
Woodstock: Die wahre Geschichte.
Vom Macher des legendären Festivals
Am 15. August 1969 um 17.07 ging Richie Havens auf die Bühne des Woodstock-Festivals und begrüßte das Publikum mit den Worten. »Wisst ihr was? Wir haben es endlich ge- schafft! Dieses Mal haben wir es geschafft. Jetzt werden sie uns nicht länger ignorieren können.« Bis zu diesem Moment war es ein weiter, steiniger Weh. Den Michael Lang, damals der maßgebliche Organisator und die Musikhistorikerein Holly George-Warren detailverliebt beschreiben. Mitwirkende in der Organisation kommen ebenso zu Wort wie Musiker und Festivalbesucher. Lang hatte 1968 das erste Florida-Musikfestival organisiert, über das in der Lokalzeitung zu lesen war »Blumenkinder verhalten sich ungewohnt manierlich: Unser Reporter auf Tuchfühlung mit den Verrückten.« So ermutigt, baute Lang konsequenmt an seinem Traum weiter, von skeptischen Kommentaren seiner zeitgenossen begleitet. »Auf mich wirkte er wie ein ein kleiner Headshopbesitzer, der zwar einen großen Traum hat, aber nicht über die visionäre Energie verfügt, tatsächlich etwas auf die Beine zu stellen, das meiner Meinung nach wohl als das größte kulturelle Event des Jahrhunderts hätte gelten können. Aber genau das hat er gemacht«, wird der Polit-Aktivist Abbie Hoffman zitiert Wie organisiert man ein solches Riesen-Festival in einem Umfeld, das überhaupt nicht weiss, was da möglicherweise passieren wird? Lang schreibt über den monatelangen Mehrfronten-Kampf zwischen logistischen Problemen, Idealismus und Überzeugungsarbeit. Über die vielen Menschen mit all ihren Fähigkeiten und Marotten, die das Ereignis stemmen können. Über die Knüppel, die ihm und seinem Team von allen Seiten in den Weg geworfen werden. »Während weiterhin von rechts und links auf mich eingeprügelt wurde, sah ich den Weg, den wir gehen mussten, ganz klar vor mir. Er führte zu einem Ort, an dem Kunst und Kommerz ebenso friedlich nebeneinander existieren konnten wie gegensätzliche Meinungen, an dem die Humanität an erster Stelle stand und das, was uns voneinander unterschied, nur dazu beitrug, die Welt bunter zu machen.« das Buch liest sich mindestens so spannend wie ein Krimi, und von dem Moment an, in dem Richie Havens die Bühne betritt, ist man als Leser hinter und auf der Bühne, mitten undter den Menschen und im Büro der Veranstalter gleichzeitig.
Edel Books, 2019, 384 Seiten, 24.95 Euro