Deep Purple

Deep Purple

In Rock (25th Anniversary Deluxe Edition)

Parlophone / VÖ: 6.7.1995, Originalveröffentlichung 1970

Die zum 25jährigen Jubiläum 1995 erschienene, remasterte „Anniversary Edition“ ist nicht unbedingt ein Muss – ausser für beinharte Fans. Es gibt ein paar belanglose „Studio-Chats“, dazu ein wenig „alternative“ Musik, unter anderem „Speed King“ als etwas gedämpftere Piano-Version oder „Flight Of The Rat“ in Roger Glovers Remix. Das Album als solche ist allerdings noch immer ein Meilenstein. Nach dem Ende der MK I Besetzung, die sich nie so recht zwischen Pop-Apeal. Klassiketüden und wirklich hartem Rock entscheiden kann, stehen die Zeichen auf Sturm. Mit In Rock entsteht ein Album, das aus allen Rohren feuert: Aggressiv, laut und schrill, größenwahnsinnig. In Rock ist ein Neustart. Ritchie Blackmore sagt später, es sei das eigentliche erste Album der Band gewesen, und Jon Lord ist überzeugt, dass es den Hard Rock definiert hat. Lord selbst benutzt auf dem Album nicht nur Leslies, sondern spielt auch über Marshall-Verstärker, als wolle er Blackmores Gitarre mit seinem schrillen, schon fast schmerzhaften Orgelsound Konkurrenz machen. Dabei ist In Rock keineswegs eine eindimensionale Platte: Speed King, das mit einem kakophonischen Chaos beginnt, sich dann zunächst ganz zurücknimmt, um in eine wohlgeordnete Rock’n’Roll Schlacht auszuarten, ist die Richtung vorgegeben, und die heisst: Alles ist möglich, aber Hingabe ist Pflicht. Ein Hardrock-untypischer Groove schiebtBloodsucker, bei Child in Timebleibt für die kommenden Jahrhunderte das (von It’s A Beautiful Day) geklaute Orgel-Intro hängen – und das finale Solo Duell von Blackmore und Lord, bei dem Blackmore vorlegt, Lord auf den fahrenden Zug aufspringt, und sie gemeinsam einlochen.Into the Fire‹ könnte am ehesten den Irrglauben unterfüttern, In Rock sei eine Heavy Metal Pionier-Scheibe. Die fast panischen Galopporgie vonFlight Of The Rat(man achte auf die Rhythmus-Orgel), und das zackig schreddernde Hard Lovin Man, bei dem Lord klirrend vorlegt, auf dass Herr Blackmore auf komplette Dekonstruktion, Zerhackung und Vernichtung hinsteuere. Womit dich der Kreis zum Intro von Speed King perfekt schließt.

9/10

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Deep Purple

Deep Purple

Live in Rome 2013

earMusic/ Edel / VÖ: 20.12.2019
Mut zum neuen Material

Wer eines der Konzerte der Tour nach dem grandiosen Album Now What?! miterlebt hat, staunte über den geradezu revolutionären Mut, das aktuelle Material in der Setlist unterzubringen. Bis zu sechs der neuen Songs bekam das Publikum seinerzeit zu hören. Den Anfang dieses in Rom aufgenommenen Konzerts aber macht das Dreierpack ›Fireball‹, ›Into The Fire‹ und ›Hard Lovin Man‹. Das vorführt, wer der Meister des Wahnsinns im Ring ist: Don Airey, der in ›Fireball‹ ein vollkommen neues Solo abschießt und ›Hard Lovin Man‹ den akkuraten Gegenpart zu Steve Morses aggressiver Gitarrenerotik liefert. Die alten Songs machen aber auch ein Problem deutlich, unter dem die Live-Performance der Band nicht erst seit 2013 leidet: Ian Gillan packt einfach die wirklich hohen Töne nicht mehr. Manchmal zieht er sich dabei ehrenhaft tiefergelegt aus der Affäre, manchmal möchte man schon fast Mitleid mit dem unüberhörbar sich qäulenden Frontmann haben. Dafür singt der das schwierige ›Perfect Strangers‹ nahezu perfekt und mit anrührender Wärme. In dieser Version beweist auch Steve Morse, dass er Don Airey in Sachen Wahnsinn Konkurrenz machen kann. Die Klangkaskaden, die das Zentralriff umflächeln, kommen irgendwo aus einer ganz anderen Welt voller anfliegender Raumschiffe. Dafür verleiht er dem musiklischen Treppenwitz ›Vincent Price‹ eine massive Heavyness, dass man sich fast fürchten könnte, müsste man nicht dauernd lachen angesichts dieser offensichtliche Alice Cooper-Parodie. ›The Mule‹ – inklusive kurzweiligem Drumsolo – klingt nach Sturm und Drang. Das exakte Gegenteil ist ›All The Time In The World‹ Nicht unbedingt ein Paradestück für die Bühne, schafft es hier doch einen intimen Moment. Da singt der große Philosoph Gillan die unsterblichen Worte »Sometimes I just sit and think, and sometimes I just sit. (Manchma sitze ich da und denke, und manchmal sitze ich nur da).« In diesem Augenblick strahlt seine Stimme genau das aus, was sie in tieferen Tonlagen so gut kann: Vertrauen, Gelassenheit, Zuneigung, Altersweisheit.

8/10

Deep Purple

Deep Purple

Total Abandon Australia 99

Eagle Rock / VÖ: 20.4.2012

Abgeklärte Grooves und spitze Schreie

Vorsicht: Das Album ist die um vier Songs gekürzte Neuauflage der ursprünglichen Doppel CD Total Abandon- Live in Australia ’99 (von 1999). Das Konzert wurde auch bereits als DVD 2008 in ganzer Länge auf der Box Deep Purple Around The World Live veröffentlicht. Mehr ansehen

DEEP PURPLE – die Interviews: Ian Gillan (2020)

DEEP PURPLE – die Interviews: Ian Gillan (2020)

Schon im Januar des merkwürdigen Jahres 2020 hatte ich Gelgenheit, für die Titelstory des famosen ROCKS Magazins Ian Gillan, Steve Morse, Ian Paice und Produzent Bob Ezrin ausführlich zu interviewen. Leider nur am Telefon, aber nichtsdestotrotz war es wieder das reine Vergnügen. Gillan hatte ich bereits mehrfach in langen Gesprächen kennengelernt, eine persönliche Begegnung aber immer irgendwie verpasst. Ausnahmslos alle Musiker dieser Band sind aufgeschlossene Gesprächspartner, die auf Fragen nie, nie, nie mit vorgestanzten Standardformulierungen antworten, obwohl sie sicher in ihrer ein halbes Jahrhundert umspannenden Karrier zigtausende Interviews gegeben haben. Vielmehr entwickeln sich aus der Interviewsituation oft wirkliche Gespräche. Vielleicht geben diese (fast) kompletten Transskipte einen Eindruck davon. Ian Gillan hat mir übrigens versichert – und ich glaube es ihm einfah mal – dass unser Gespräch das weltweit erste sei, dass er zum Album führe, über dessen Titel wir erst ganz am Schluss sprachen.

Das Gespräch fand am 17. Januar 2020 statt. Here we go…..

Als ich Ian Paice 2017 traf, erklärte er mir zwar den Sinn der „Long Goodbye Tour“, und dass das Ende offen sei – aber darüber hinaus sah es nicht unbedingt so aus, als könnte es nochmal ein Album geben. Wann hat sich das denn herausgestellt?

Da triffst du den interessantesten Punkt, was die ganze Karriere der Band betrifft. Wir treffen nie Entscheidungen. Alles geschieht – man könnte fast sagen – zufällig. Ich hatte der „Long Goodbye Tour“ diesen Namen gegeben, weil ich sie so lange wie möglich ausdehnen wollte. Ein paar Jahre vorher hatten wir alle gesundheitliche Probleme gehabt. Ian Paice hatte einen leichten Schlaganfall, Roger ging es auch nicht gut. Wir wussten nicht so recht, wie lange wir noch weitermachen könnten. Aber dann ging es wieder allen besser, und wir beschlossen, man könnte sich ja mal treffen und mit ein paar Ideen runspielen. Also trafen wir uns in Bottrop und taten genau das, und da waren schon eine oder zwei Sachen dabei, die absolut fantastisch waren. Das hat dann die Lawine ins Rollen gebracht. Das war im Februar 2019, ich hab‘ es hier in meinem Tagebuch. Es ist erst ein Jahr her, aber es kommt mir wie eine Ewigkeit vor.

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Deep Purple – Die Interviews: Steve Morse (2020)

Deep Purple – Die Interviews: Steve Morse (2020)

 

Steve Morse hatte ich bei den diversen „Deep-Purple-Interview-Runden“ der vergangenen Jahre für das ROCKS Magazin noch nie am Telefon gehabt, deshalb war ich besonders gespannt auf das amerikanische Mitglied dieser urenglischen Institution. Anfangs schien es, als würde es nicht klappen, denn am vereinbarten Termin ging einfach keiner ans Telefon. Die nette Promoterin des Labels rief dann im Lauf des Tages zurück und erklärte, Steves Akku sei leer gewesen (also der seines Telefons)….. Dann also auf ein Neues, am nächsten Morgen um die gleiche Zeit. Nun hatte ich mich eh schon gewundert, dass es zur ursprünglich vereinbarten Zeit bei ihm zuhause Mitternacht gewesen wäre. Wow, was für ein Arbeitsethos, dachte ich mir. Als wir uns dann schließlich begrüßten, fragte ich nach, und Steve meinte, jetzt sei es bei ihm aber schon drei Uhr morgens, er sei in der vergangenen Nacht mal eben von A nach B (weiss nicht mehr von wo nach wo) geflogen. Ich war beeindruckt. Wegen mir? Nachts um drei telefonieren? Ja klar, das sei doch Ehrensache, und das mit dem Akku am Tag vorher, das sei ihm sowas von peinlich….. Ich war gerührt, und bin es bis heute. Das Interview – das dann am 23. Januar lief – war dann sehr gut. Hier ist es, wie gehabt: Fast im Wortlaut.Mehr ansehen

Deep Purple – Die Interviews. Produzent Bob Ezrin (2020)

Deep Purple – Die Interviews. Produzent Bob Ezrin (2020)

Bob Ezrin hat zum dritten Mal ein Deep Purple Album produziert. Der Mann, der Pink Floyds Jahrhundertwerk „The Wall“ gemacht hat, der verantwortlich ist für den Sound zahlreicher Alben von Alice Cooper und Kiss, hat 2012 zum ersten Mal bei Now What!? den Deep Purple-Sound geprägt. Mit Infinite und Whoosh! hat er diesen Sound – der aus dem Zusammenspiel der Band heraus entwickelt wurde – weiter verfeinert. Er wollte und will die Band so haben, wie er sie auf der Bühne erlebt hat. Er lässt sie alle Tracks zusammen aufnehmen, meist reichen einer oder zwei Durchläufe, danach kommen ein Paar Overdubs und Gesang dazu. Ezrin will, dass sich die Musiker gegenseitig beim Spielen anfeuern und heiß machen. Am 20. Januar 2020 hatte ich zum zweiten Mal Gelegenheit, mit ihm über seine Arbeit mit der Band zu sprechen. Es war mir eine Ehre. And as usual, it was a great pleasure…

Was war der Unterschied zwischen den Sessions für Infinite und denen für Whoosh?

Bei Infinite hatten sie ein paar Writing Sessions hinter sich, bevor sie nach Nashville kamen, und dann nahmen wir die besten Teile. Diesmal arbeiteten wir einige Sachen im Probestudio in Nashville aus, und daraus wurden einige der besten Songs für das Album.

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Deep Purple „Now What!?“ oder: Das Wunder von Nashville (2013)

Deep Purple „Now What!?“ oder: Das Wunder von Nashville (2013)

Erschienen im ROCKS Magazin, 2013

Deep Purple melden sich nach acht Jahren Studio-Abstineinz mit Now what?! Das Album ist ein musikalischer Triumph. Voller einfallsreicher Riffs, großer Melodien, und der Energie der Deep-Purple-Konzerte. Produzent Bob Ezrin hat die Band so aufgenommen, wie sie noch nie klang: ganz groß.Mehr ansehen

Deep Purple (1996)

Deep Purple (1996)

Urgestein in Bestform

Deep Purple, Eppelheim, Rhein Neckar Halle, 27.9.1996

Der 42jährige Bankkaufmann Horst, der selbst mal jahrelang Rockmusik gemacht hat, ist mit seinem 15jährigen Sohn gekommen. Der Filius soll mal sehen und hören, wie das damals war, als es weder Grunge noch Hardcore noch Trashmetal gab. Damals in den goldenen Siebzigern, als das alles Hardrock hieß und das unsinkbare Flaggschiff Deep Purple. Seit die Herren 1984 mit „Perfect Strangers“ ihre zweite Karriere starteten, hatte das einst stolze Schiff schon des öfteren ein Leck. Das letzte hieß Ritchie Blackmore und tat sich vor drei Jahren auf. Entweder Sänger Ian Gillan oder er, das war die Entscheidung, vor die der launische Genius die Band stellte.Mehr ansehen

Deep Purple (2014) Ian Paice über das Jon Lord Tribute-Konzert

Deep Purple (2014) Ian Paice über das Jon Lord Tribute-Konzert

„Die Atmosphäre war elektrisch aufgeladen“

Erstveröffentlichung in ROCKS, 2014

Bemerkenswerte Aktivitäten werden aus dem Deep Purple Trainingslager gemeldet: Die ersten Sessions für den Now What-Nachfolger sind gelaufen, Anfang 2015 sollen Songs aus den Ideeen werden. Unterdessen spricht Drummer Ian Paice, über den Gig seines Lebens beim „Celebrating Jon Lord“ Konzert in der Royal Albert Hall und die neuentdeckte Lust an der Studioarbeit. „Die Atmosphäre war elektrisch aufgeladen, es war ein Abend der Freude, in den sich natürlich auch Trauer mischte, weil wir einen Bruder verloren hatten. Als wir von der Bühne kamen und mit ein paar Leuten einen Drink an der Bar nahmen… da kriegten wir vor allem mit, dass sie immer noch eine Gänsehaut hatten“ beschreibt Ian Paice die Stimmung am Abend des 4. April dieses Jahres. Des Abends, an dem sich Musikerkollegen und Freunde von Jon Lord auf der Bühne der Royal Albert Hall trafen, um das Lebenswerk des Komponisten und Rockmusikers Lord zu feiern. Neben der aktuellen Deep Purple Besetzung waren unter anderen Glenn Hughes, Phil Campbell (The Temperance Movement), Paul Weller, Bruce Dickinson und Rick Wakeman beteilgt, für die Orchesterparts war Dirigent Paul Mann zuständig, der schon bei der Neuauflage von Lords Concerto For Group And Orchestra 1999 am Pult gestanden hatte.Mehr ansehen

Deep Purple & Friends

Deep Purple & Friends

Celebrating Jon Lord – The Rocker

Edel / VÖ: 24.09.2014

Ein großes Aufgebot an Musikern kam im April diesen Jahres in der Royal Albert Hall zusammen, um das Lebenswerk Jon Lords zu feiern. Auf dem Doppelalbum sind neben der aktuellen Deep Purple Besetzung unter anderen Glenn Hughes, Bernie Marsden, Micky Moody, Phil Campbell (The Temperance Movement), Bruce Dickinson zu hören. Modfather Paul Weller, der als erster zum Mikro greift, dürfte nicht gerade eine sichere Bank bei Deep Purple Fans sein. Doch ist er mit seinem rotzigen Charme genau richtig für den Sixties-Pop von Lords damaliger Band The Artwoods. Genauso passend die Wahl von Phil Campbell für zwei Paice Ashton Lord-Songs. Der Mann hat das Tresen-Timbre des Tony Ashton hörbar inhaliert. Glenn Hughes und Bruce Dickinson arbeiten sich an You Keep On Moving ab, und können es dabei leider nicht lassen, am Limit zu singen. Das klingt nach Hahnenkampf und Dickinson ist überdies nicht der Mann, Soul zu singen. Viel wichtiger als Detailkritik ist die Freude über die bewegenden Momente dieses einmaligen Abends, derer es reichlich gibt: Hughes‘ sehr persönliche Ansage zu This Time Around‹, Gillans zittrige Stimme, als er im Deep Purple Set Above And Beyond ankündigt und die Zuhörer um absolute Stille für das Intro bittet. Der Rest ist Deep Purple Normalstandard, routiniert und doch immer wieder mit überraschenden Ideen: So etwa ›Lazy‹, das gleichzeitig an Leichtigkeit und Intensität gewinnt durch die Geige von Stephen Bentley-Klein, und die ungebrochene Improvisationsfreude dieser lautesten Jazzcombo der Welt in einem neuen Licht erscheinen lässt.

8/10