Gitarren, Gott, Gewehre
Karlsruhe, Schwarzwaldhalle, 1.3.2010
Das breite Grinsen im Gesicht von Sänger Johnny Van Zant ist berechtigt: „Skynyrd Nation“ ist doch noch recht zahlreich gekommen: 1700 Menschen, auch durchaus einige unter 40, huldigen den Übervätern des Southern Rock. Die aber bieten über weite Strecken Nostalgie-Programm, das dafür aber umso engagierteri. Sound-Kontinuität ist gewahrt, auch wenn mit Gitarrist Gary Rossington nur noch ein Überlebender der „Sweet Home Alabama“-Besetzung aus den 70ern auf der Bühne steht. Mehr ansehen
Live In London
Tuoni Records / VÖ: 21.4.2015
Slide-Furie auf Dienstgipfelhöhe
Das fängt stark an: A Capella im Wechselgesang mit der Band. Es klingt wie ein Gospel, wie eine Beschwörung, dessen was da kommt. Fred McDowells ›It’s A Blessing‹ verwandelt sich anschließend in eine perkussiv groovende, zunächst mit sparsamen Gitarreneinwürfen versehene Nummer. Aber wehe, wenn sie losgelassen. Ganz schnell kommt die Slide-Furie wieder auf Betriebstemperatur. Bei den Elmore-James-Titeln ›Person To Person‹ und ›Hand In Hand‹ zeigt die Band, wie wichtig dichtes Zusammenspiel für eine elektrisierende Blues-Performance ist. Diese leute spielen einfach unglaublich coole Shuffles. Und Erja zeigt, dass sie als Sängerin Jahr für Jahr an Format gewinnt. In der Ballade ›Change Of The Season‹ spielt die Gitarristin fünfeinhalb Minuten lang eine Nebenrolle, während die Sängerin den Zuhörer mit einem ganzen Paket von Emotionen überschüttet. Ekstase auf der Gitarre erzeugt sie anschließend durch feine Detailarbeit: Ton, Aufbau und die Einbettung der Gitarrenlinien in die stetige Bewegung, die die Sidemen schaffen. Da stehen Musiker auf der Bühne, die sehr genau aufeinander hören. Diese Qualitäten treiben sie am Ende des Sets im 14 Minuten langen, funkensprühendem, rostrot glühenden, mit feinen Solo-Spots versehenen ›Dust My Broom‹ noch einmal von Höhepunkt zu Höhepunkt
8/10
Lieder vom Rand der Galaxis
Libero Records / VÖ: 10.8.2012
Wolf Maahn, der Rocker, der Soulsänger, der Chansonnier, der Geschichtenerzäh1er: Das akustisches Solo-Konzert bringt all diese Identitäten perfekt unter einen Hut. Denn da zeigt sich die Qualität eines Songs, und bei manchen der 15 hier versammelten Lieder aus allen Schaffensphasen des Kölners ist die Reduktion aufs Wesentliche ein dickes Plus. Selbstbewusst verschießt er gleich zu Beginn einen der größten Deserteure-Hits „Irgendwo in Deutschland“. Der Enthusiasmus des Publikums zeigt, dass seine Fans ihm all die Jahre gefolgt sind. In „Nothing But A Heartache tritt der hierzulande etwas unterschätzte Soul-Maahn in den Vordergrund, und beweist sich nebenbei als einer der wenigen deutschen Sänger, der wirklich glaubhaft Englisch singt. „Durch alle Zeiten“ entfernt sich mit großer Gelassenheit recht weit von der hochglanzpolierten Studiovorlage und steht exemplarisch für das, was diese Platte so auszeichnet: Eindringlichkeit statt Pathos, Lässigkeit statt aufgeregtes Herumgockeln. Bemerkenswert ist auch Maahns rhythmisch akzentuiertes Gitarrenspiel, das den Songs einen hypnotischen Drive verleiht.
7/10
Dem Zeppelin wieder zum Start verholfen
Mad Zeppelin; Fabrik, Bruchsal, 11.11.2022
Nachdem Led Zeppelin sich 2007 mit einem einzigen Konzert in der Londoner O2 Arena wohl für alle Zeiten verabschiedet hatten, habe Tribute-Bands Konjunktur. Mad Zeppelin, eine der profiliertesten deutschen Bands dieser Szene, machten am Freitagabend in der Fabrik Station. Die Musiker versuchen dabei erst garnicht, wie die Vorbilder aus auszusehen, und das ist auch gut so. Denn hier geht es um die Liebe zu dieser Musik und den Wunsch, sie möglichst originalgetreu auf die Bühne zu bringen. Mehr ansehen
Dem Zeppelin wieder zum Start verholfen
Mad Zeppelin in der Fabrik, Bruchsal, 11.11.2022
Nachdem Led Zeppelin sich 2007 mit einem einzigen Konzert in der Londoner O2 Arena wohl für alle Zeiten verabschiedet hatten, habe Tribute-Bands Konjunktur. Mad Zeppelin, eine der profiliertesten deutschen Bands dieser Szene, machten am Freitagabend in der Fabrik Station.Mehr ansehen
Wings Of Heaven Live
SPV / Steamhammer / VÖ: 22.2.2008
Magnum spielten immer in der zweiten Liga, waren und sind aber in ihrer Art einmalig: Wenn es die prototypische Melodic-Rock Band gibt, dann sind sie es. Alles was sie in den gut 30 Jahren ihres Bestehens zu wuchtigen Wohlklangklöpsen verarbeitet haben, ließe sich auch gut beim Wandern zur Holzklampfe trällern. Vorausgesetzt, man hat eine so samtweiche, sympathische Stimme wie Bob Catley, dem man selbst den größten Blödsinn und die abgefahrensten Weltkrieg-I-Epen abnimmt wie „Don’t Wake The Lion“. Der Song ist Dreh- und Angelpunkt des Albums „Wings Of Heaven“, das die Band vor bald 20 Jahren eingespielt hat und das fast die komplette zweite CD dieser Live-Darbietung von 2007 einnimmt. Das hat man heute eben so, auch wenn dabei einige schwächere Songs in die Setlist gelangen, auf die man schon verzichten könnte. Auf der Habenseite könnte diese Politik allerdings als trotziges Statement für das „Gesamtkunstwerk Album“ in Zeiten der Download-Manie verstanden werden. Angenehm an diesem Album ist – wie schon bei m Live-Doppel „The Last Dance“ (1996) – die raue Ungeschliffenheit. Da wird nichts geschönt, weder Gitarrist Tony Clarkins eng begrenzte Ausdrucksmöglichkeiten noch Bob Catleys angekratzte Stimme. Dafür hat der kleine Kerl hier mehr Blues auf allen Studio Alben zusammen.
6 1/2 / 10
Wings Of Freedom
Sony Music Entertainment / VÖ: 24.5.2019
25 Jahre lang bringt Leslie Mandoki nun schon Musikgrößen aus aller zusammen und intergriert sie in die Soulmates, in diese große Gemeinsachsft vielseitiger Musiker, die zudem noch Generationen zusammenbringt. Dabei übeschreitet die Zusammenstellung von Musikern und Musik scheinbar locker Genregrenzen zwischen Jazz, Pop und Rock.Mehr ansehen
Script For A Jester‘s Tear – Deluxe Edition (Re-Release)
Parlophone I VÖ: 3.4.2020, Originalveröffentlichung 1983
Vollbedienung für traurige Clowns
Marillions Debüt war das erfolgreichste Leuchtfeuer des Prog-Revival anno 1983. Mit dem Album keimte für kurze Zeit die Hoffnung auf, diese Musikrichtung könne wieder massentauglich werden. Die neue Veröffentlichung als 4CD/Blue Ray und Vinyl-Version toppt alle beisherigen Wiederveröffentlichungendes legendären Albums. Schon der Titel war Hinweis darauf, dass hier eine Band, insbesondere ihre Sänger und Texter Fish, bereit waren, ihr Innerstes nach aussen zu kehren. Die Musik, die viele damals an eine etwas grobklotzige Version von Genesis erinnerte, trug ihn und seinen extrem extrovertierten Gesnagstil zu Höhenflügen. Wer hätte sich nicht zum Titelsong in den Schmerzen verschmähter Liebe gesuhlt oder sich zu ›He Knows You Know‹ gern mit Fish auf die Couch des Psychiaters gelegt? Der neue Stereo-Mix des Albums macht das Erlebnis noch intensiver. Was beim Wiederhören als Wermutropfen bleibt, sind die noch wenig subtilen Arrangements, mit Mick Ponters polterendem Schlagzeug als Ausrifezeichen. Zum Album-Remix gibt es neuen Stereomixe der B-Seite ›Charting The Single‹ und der EP ›Market Square Heroes‹. Am 29. Dezember 1982 spielte die Band live im Marquee Club alle Songs des zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlichten Albums. Dieses Konzert ist hier zum ersten Mal zu hören – und beweist, wie die bisherigen Live-Veröffentlichungen aus den frühen Tagen, dass Progressive Rock nicht nur sauber, wohlkonstruiert und verkopft, sondern auch durchaus leidenschaftlich und schmutzig klingen konnte. Ob es den schon früher veröffentlichten Aufnahmen vom 30. Dezenber 1982 vorzuziehen ist, muss jeder Marillion-Nerd für sich selbst entscheiden. Weiter enthält das Paket einen 5.1. Remix des Originalalbums und eine Dokumentation mit Interviews zu den Anfangstagen der Band..
7/10
Das Bukowski-Album
Erschienen im ROCKS Magazin 2014
Recherchenotiz, 15. Dezember 2019: Der Text basiert im wesentlichen auf einem ausführlichen Interview, das ich mit Fish in einem asiatischen Restaurant am Karlsruher Ludwigsplatz führte. Er trank Sake, ich Cola Light. Damals war er eigentlich wild entschlossen, seinen Erstwohnsitz nach Karlsruhe zu verlegen. Er schätzte die Gelassenheit der Menschen, erzählte von der mangelnden Aggressivität. Ganz anders sehe es in seiner Heimat aus. Anfangs hatte ich den Eindruck, er wollte nicht wirklich über das Thema „Clutching At Straws“ sprechen, aber im Lauf des Gesprächs redete er sich richtig in Rage. So hatte ich ihn Jahre zuvor kennen gelernt, als er seine Tourmanagerin (?) zusammenfaltete, weil sie ihm einen gar zu frühen Flug gebucht hatte: Ein Mann, der das Herz auf der Zunge trägt, der andere – aber auch sich selbst – nicht schont. Wobei man sich immer wieder fragt: Wollen wir als Fans, als Journalisten, es wirklich alles so genau wissen? Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite sind wir natürlch nicht erst seit 2014 gespannt auf die Autobiographie des schottischen Sängers. Der nach dem Interview vorschlug, man solle doch nun noch zusammen einen Kaffee trinken gehen, gleich nebenan, seine Freundin Simoen käme auch gleich. Dann gab es zwei Stunden lang den höchst amüsanten Privat-Entertainer Derek William Dick, Anekdoten und die wahre Geschichte dieses Paares, das mittlerweile glücklich verheiratet in Schottland lebt. Aber die soll hier nicht erzählt werden….
1985 heben Marillion ab in den Hyperraum. Der Single Hit ›Kayleigh‹ ist schuld am plötzlichen Erfolg der Band. Die Single zieht das Album Misplaced Childhood im Juni 1985 bis auf Platz 1 der britischen Album Charts mit, die Progressive-Rock Band aus Aylesbury hat sich mit dem Erfolg in die Oberliga der Rockbands geschossen. Der Druck ist immens, als die Band sich an das Nachfolgealbum macht. Clutching At Straws wird brillant, aber ist auch der Anfang vom Ende der Ära Fish, der die Geschichte noch einmal aus seiner Sicht erzählt.Mehr ansehen
Wühlen im Wohlklang
Martin Turner’s Wishbone Ash in der Fabrik Bruchsal, 7.5.2009
Einst waren Martin Turner, (Gründer von Wishbone Ash) und Andy Powell ein Herz und eine Seele, heute sind sie heillos zerstritten. Powell hatte zusammen mit Ted Turner Ende der 60er den legendären Doppelgitarrensound erfunden, das Schwelgen in harmonischen, gleichwohl härteren Klangwelten. Während Powell seit nunmehr 40 Jahren den Namen Wishbone Ash mit neuem Veröffentlichungen am Leben hält und fleißig tourt, hatte sich Turner (seit 1994 nicht mehr in der Band) weitgehend aus dem Business zurückgezogen.Mehr ansehen