David Weigel
Progressive Rock
Pomp, Bombast und tausend Takte
David Weigel hat lange für die Washington Post (als politischer Korrespondent) und Magazine wie Esquire und den Rolling Stone gearbeitet. Er ist bekennender Progrock-Fan, was man in jeder Zeile dieses Buches spürt. Wer allerdings dem Klappentext glaubt, Weigel zeichne ein »stimmiges. spannendes Bild dieser Musikrichtung« oder erzähle gar die »ganze Geschichte des Prog« (New York Times) der fühlt sich nach der Lektüre betrogen. Die Erzählung kreist immer wieder um die offensichtlich von ihm favorisierten Protagonisten King Crimson, Emerson Lake & Palmer, Yes, Genesis, Soft Machine und Van der Graaf Generator, in unterschiedlicher Dosierung. Deren Bandgeschichte erzählt er collagenartig ineinander verschränkt, was zwar etwas verwirrend ist, aber zumindest ein musikalisches Sittengemälde der Aufbruchszeit des Genres bietet. Der Niedergang des Genres gegen Ende der 70er wird zwar beschrieben, aber nicht wirklich erklärt, und durch die in den 80er Jahren durch Marillion einsetzende Neo-Progbegeisterung hetzt der Autor im Saugalopp. Nun lässt sich trefflich streiten, was eigentlich zum Genre Progrock gehört, aber dass Weigel Pink Floyd nur streift, und die gerade in England hochangesehenen deutschen Bands von Can bis Faust kaum eines Blickes würdigt, erscheint dann doch etwas seltsam. Auf der anderen Seite ist das Buch eine Fleissarbeit voller Zitate und Anekdoten, die sicher schöne Diskussionsanlässe für Prog-Nerds abgeben. So etwa wird der frühe King Crimson Sänger Gordon Haskell mit dem Staz zitiert: »King Crimsons Waffe ist musikalischer Faschismus, gemacht von Faschisten, entworfen von Faschisten, um zu entmenschlichen, um der Menschheit ihre Würde und ihre Seele zu rauben.« Eine wahre Fundgrube sind die Zitate aus vernichtenden Kritiken journalistischer Prog-Hasser, die ihre schillernde Ahnungslosigkeit unter Beweis stellen. »Jethro Tull glauben eventuell, dass sie Kunst produzieren, was etwas ist, was im zwanzigsten Jahrhundert nicht gebraucht wird«, schrieb etwa Dave Marsh. Auch bei der Beschreibung der musikaischen Höchstleistungen des Genres wird es gelegentlich fast unfreiwillig komisch, wenn jedes Stück in epischer Breite auf seine Kompliziertheit hin untersucht wird, und der Leser seitenlang das lesen muss, was er eh schon hört, so er ein offenes Ohr hat. Richtig ärgerlich aber ist die holprige Übersetzung. Wenn dann noch Marillions ›Warm Wet Circles‹ zu ›Warm Wet Circus‹ wird, mag man sich die dort zu bewundernden Dressurnummern gar nicht vorstellen.
Hannibal Verlag, 2018, 296 Seiten, 25,00 €
Will Romano
Prog Rock FAQ
All that’s left to know ablout Rock’s most progressive music
Will Romano ist ein amerikanischer Musikjournalist, der unter anderem für die New York Post, Modern Drummer und VH 1 arbeitet. In Prog Rock FAQ befasst er sich nicht nur mit der Musik als solcher, sondern auch mit kulturellen, technologischen und sozialen Faktoren, die den Hintergrund der musikalischen Entwicklung bilden. Romano stellt sein Buch als eine Art alternative Geschichte des Progressive Rock vor. Erklärtes Ziel des meinungsstarken Autors ist es, aus seiner Sicht unterbewerteten Künstlern wie Echolyn, Billie Richie oder Peter Banks Aufmerksamkeit zu verschaffen. Bisweilen treibt dieser Anspruch seltsame Blüten: Warum er etwa John Payne, dem Interims-Sänger von Asia, sieben Seiten einräumt, bleibt sein Geheimnis. Andererseits stellt er innovative „Randfiguren“ wie den früheren Van Der Graaf Generator Saxofonisten David Jackson in ausführlichen Interviews vor. Das Thema Konzeptalben beleuchtet er von einer neuen Seite:. Warum es großartig ist, aber eben kein Konzeptalbum, heisst die Überschrift für die Betrachtungen über (unter anderem) 2112 (Rush), Grand Hotel (Procol Harum) oder Dark Side Of The Moon (Pink Floyd), Ein Kapitel widmet sich dem Mellotron, eines zwei obskuren Bands der italienischen Prog-Rock-Szene, ein weiteres epischen Werken mit Überlänge von ›Thick as A Brick‹ bis ›Echoes‹. Wie weit Romano das Genre definiert, lässt sich an der Einbeziehung von Zappa und dem Kraftwerk-Ableger Neu! ermessen. Ein ausführliches Kapitel diskutiert den Niedergang des Genres zu den Hochzeiten von Punk. Es ist nicht das einzige, das reichlich Diskussionsstoff bietet.
Backbeat Books (Englisch) 2014, 370 Seiten, 24,99 €
Bis zur Rockerrente
Karlsruhe, Tollhaus, 8.11.2013
Die Puhdys akustisch? Geht das denn? Die Band, die 1969 als eine Art Deep Purple- und vor allem Uriah Heep-Ersatz für die in sich geschlossene Rockmusiklandschaft DDR angefangen hat, lebte doch eigentlich immer vom vollen Brett verzerrter Gitarren, von sämigen fetthaltigen Keyboardschwaden und der breitbeinigen Pose ihres Frontmanns Dieter Birr alias „Maschine“ – eines wahren Rock’n’Roll Schwerstarbeiters, der ebenso wie sein Gitarristenkollege Dieter „Quaster“ Hertrampf nächstes Jahr 70 wird. Gut, Alter war bei den Puhdys nie ein Problem, Keyboarder Peter Meyer, am Freitagabend im gut gefüllten Tollhaus als „Schwiegervater von Walter Ulbricht“ angekündigt ist 73.
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Das Tier und seine gelehrigen Schüler
Ian Paice & Purpendicular in der Festhalle Karlsruhe-Durlach, 28.3.2016
Hat der Mann denn nicht genug zu tun? Seit 48 Jahren trommelt Ian Paice für die immer noch hyperaktiven Deep Purple und jettet um die Welt, um in Workshops sein profundes Wissen in Sachen Schlagzeug weiterzugeben und lässt sich von seiner Gattin Jackie für deren Wohrtätigkeitsevent „Sunflower Jam“ auf die Bühne treiben. Zu wenig offenbar für den fast 68-Jährigen. Bei der laufenden Tour der Deep-Purple Tribute-Band Purpendicular sitzt er am Schlagzeug und hat Spaß dabei – wie am Sonntagabend in der Durlacher Festhalle deutlich zu sehen war. Mehr ansehen
Purple Haze 1976-2008
Herbst 1976: In Saal des „Gesellschaftshauses“ im Heidelberger Stadtteil Pfaffengrund kann man einmal in der Woche beobachten, wie sich vier junge Herren, alle gerade 20 geworden (oder ein bisschen älter) auf der Bühne mit schwerem Gerät an schwergängiger Musik zu schaffen machen. Die Typen von links nach rechts: Der dürre Bernd Herbold, den alle unter seinem Spitznamen „Ufo“ kennen, ein eher wortkarger junger Mann, der besessen ist vom Versuch, das „Weiber-Elend“ direkt in Gitarrensoli umzusetzen, und sich dabei in allerlei Effektgeräte verheddert, die diesem Versuch mal behilflich sind, mal im Weg stehen. Er hat Purple Haze Mark I 1973 gegründet, 1974 ist Horst Benner als Bassist und Sänger dazugestoßen. Da er „von der Gitarre kommt“, ist sein Bassspiel geprägt von weit reichendem Mäandrieren und allen Tonlagen. Schon damals erfindet er als Höhepunkt der melodiösen Unterfütterung im Bassbereich den sogenannten Kreutzer-Sechser, eine federnde melodische Auf- und Abbewegung, die untenrum die ganze Frühphase der Band prägen soll. Uwe Riegler ist der Mann an den Keyboards, aber er übernimmt in der neuen Band (Purple Haze Mark III) schnell den Gesang. Der Fraktion der „Black eyed People“ zugehörig, führt er stets hinter der schwarzen Brille verborgen, ein an Ian Hunter geschultes Gefühlskonvolut in die Purple Haze Musik ein. Uwe war nicht zu haben gewesen ohne Thomas Zimmer, den autodidaktischen Drummer, mit dem Uwe jahrelang als Duo in einer Waschküche gejammt hatte. Zimmer spielt spätadoleszentem jugendlichem Überschwang zwar nicht besonders gut, aber dafür viel zu viel. Mehr ansehen
Das Fest Karlsruhe 1987 vom Schlagzeughocker aus betrachtet
„Alles klar, fertig“, kam die beruhigende Stimme von Rockshop Mixer Gerd Gruss aus den Monitorboxen. Und was für Monitorboxen das waren, zwischen denen ich da mit meinem Schlagzeug saß! So groß wie die Anlage, mit der wir normalerweise ganze Säle beschallten. Das konnte heiter werden. Samstagmittag, Juli 1987, es war das dritte Fest in der Günter Klotz Anlage, und ich hatte durch hartnäckiges Bohren die Veranstalter dieser wunderbaren kleinen Festivität überzeugt, dass meine Band „Purple Haze“ nicht eine Heidelberger, sondern eigentlich eine Karlsruher Band sei.Mehr ansehen
Konzert im KOHI Kulturraum, Karlsruhe, 23.11.2015
Ein Auftriit, bei dem Purple Haze in Doppelpack mit Crépuscule antrat. Für mich als Trommler also wieder einmal ein Doppelauftritt. Ist anstrengend, macht aber Laune, wenn alles klappt. Das Konzert wurde mit folgender Pressemitteilung angekündigt:
Purple Haze und Crépuscule
Melodiösen Hardrock nannte man das damals wohl. Manche hielten es auch für halbprogressiven Bombastrock. Purple Haze, 1973 gegründet, 1991 aufgelöst, haben der Nachwelt zwei Langspielplatten mit eigenem, höchst eigenwilligem Material hinterlassen („Enjoy Your Dinner“ 1981 und „A Serious Pipeline“ 1990). Mehr ansehen
New Beginnings
Century Media / VÖ: 29.9.2017
Blutdruck statt Bluesrock
Was treibt Parker Griggs um? Der Mann, Sänger und Gitarrist von Radio Moscow, leidet entweder an ADHS oder an hohem Blutdruck. Was er mit seinem Powertrio auf dem fünften Album abliefert, vereint jedenfalls sein einfallsreiches Gitarrenspiel und die soliden Skills eines Powertrios mit einer Hektik, die auf Dauer enervierend istMehr ansehen
Monsters Of Rock. Live At Donington 1980
Eagle Rock Entertainment / VÖ: 1.1.2017
CD/DVD
Am 16. August 1980 waren Rainbow als Headliner des Monsters Of Rock Festivals in Castle Donington gebucht. Es war das erste Rockfestival, das dort je stattfand und gleichzeitig die letzte Vorstellung der Rainbow-Besetzung mit Keyboarder Don Airey, Sänger Graham Bonnet, Bassist Roger Glover und Schlagzeuger Cozy Powell. Betourt wurde das im Vorjahr mit Graham Bonnet am Mikro eingespielte Album Down to Earth 1979. Mehr ansehen
Apokalypse, pyromanisch
Rammstein in der Festhalle Durlach, Karlsruhe, 1996
Mein Schwiegervater ist ein kluger Mann, aber manchmal sagt er so komische Sachen wie: Rockmusik ist unheimlich, weil die äußeren Umstände eines Rockkonzerts ihn immer an die Aufmärsche der Nazis in seiner Jugendzeit erinnern. Bisher pflegte ich auf solche Verdächtigungen immer im Brustton der Überzeugung: „Ach Quatsch!“ zu antworten. Mehr ansehen