Bevor es Nacht wurde: Stranger In Us All
Notiz: Der Artikel, 2015 erstmals veröffentlicht im ROCKS Magazin, schildert die Entstehung des Albums Stranger In Us All, das Ritchie Blackmore nach seinem Ausstieg bei Deep Purple mit einer komplett neuen Mannschaft aufgenommen hat, und das sicher zu den unterschätzten Werken des Mannes in Schwarz gehört. Erzählt hat mir das alles Sänger Doogie White. Herr Blackmore gibt ja nur äußerst selten Interviews, aber ehrlich gesagt: ich hätte auch keine gesteigerte Lust gehabt, mit ihm zu reden.
Am 17. November 1993 ist die Ära Blackmore bei Deep Purple endgültig Geschichte. Nach dem Konzert in Helsinki geht der Mann in Schwarz und wird nicht mehr gesehen. Die Band erfüllt ihre Vertragsverpflichtungen bis Mitte 1994 mit Joe Satriani an der Gitarre, der aber nicht fest einsteigen will. Just zu der Zeit, als sie Steve Morse an Land ziehen, nimmt auch Blackmore die Stratocaster wieder in die Hand. Eine neues Rainbow Album soll entstehen.
Doogie White hat zu diesem Zeitpunkt schon reichlich Erfahrung in Bands gesammelt, seine bislang bekannteste bis dato ist Praying Mantis, bei denen er gerade kurzfristig für eine Japan-Tour eingesprungen ist. Im Hinterkopf verfolgt der Schotte schon länger einen anderen Traum: Irgendwann mit Ritchie Blackmore zu arbeiten. Er kennt jede Note, die sein Gitarrenheld je gespielt hat, in und auswendig, und als Deep Purple 1991 auf der Slaves and Masters Tour im Hammersmith Odeon mit Joe Lynn Turner am Mikro in London spielen, macht sich Doogie mit einem Demotape seiner Songs auf den Weg zum Konzert. »Ein Freund von mir arbeitete für die Plattenfirma und sagte: Hier ist ein Ticket für die Show, und hier ist eines für die After Show Party. Blamiere mich bitte nicht und besaufe dich nicht. Also ging ich zum Konzert und dachte mir: Vielleicht treffe ich ja Ritchie, und dann könnte ich ihm dieses Tape geben. Denn ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Joe lange bei Deep Purple bleiben würde.« Doogie kennt immerhin den Tourmanager Colin Hart. Nicht persönlich, sondern von einem Foto. Ihm drückt er das Tape in die Hand mit den Worten »falls Ritchie mal einen Sänger braucht…. hier hätte ich was.«Mehr ansehen
Memories In Rock II
Nuclear Blast I VÖ 06.04.2018
Lauwarmes vom Mann in Schwarz
Das an Rainbow Rising angelehnte Cover suggerierteinstige Größe. Glaubhafte Reminiszenz oder Selbstüberschätzung? Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Die neuesten Live-Mitschnitte der Rainbow-Revival-Auftritte geraten etwas weniger peinlich als die vorangegangenen, aber vom Feuer jener Tage sind sie weit entfernt. Mehr ansehen
California
Frontiers Records / VÖ: 7.7.2017
Das Debütalbum der Riverdogs von 1990 gilt bis heute zu recht als Meisterstück bluesinfizierten Hardrocks mit Seele: Was Sänger Rob Lamothe hier mit Gitarrist Vivian Campbell (zuvor bei „Dio“ und „Whitesnake“) auf die Beine stellte, war die optimale Verbindung von gitarristischer Muskelkraft ohne Macho-Allüren und Seelensongs.Mehr ansehen
Second-Hand-Prog aus Polen
Riverside im Substage, Karlsruhe, 27.3.2013
Fünf Alben haben die polnischen Vorzeige-Rocker Riverside inzwischen auf dem Markt, aber beim Konzert im Substage am vergangen Mittwoch starten sie selbstbewusst mit neuem Material. Mehr ansehen
„Thank you, my family“
Roachford, Jubez, Karlsruhe, 8.4.2014
Der kommt auf die Bühne, fragt kurz nach, ob man sich denn wohlfühle und grinst dann breit: „You’re ready“, gar keine Frage. Schon hat er sein Publikum. Dennoch: Der breiten Masse dürfte Andrew Roachford, der 49-jährige Londoner Sänger, Pianist, Gitarrist, Songschreiber eher als der Mann bekannt sein, der Paul Carrack bei Mike And The Mechanics beerbte. Seine eigene Musik hat noch einiges mehr zu bieten hat, als der Rutherfordsche Wohlfühlpop zulässt.Mehr ansehen
Der Botschafter der Lebensfreude
Roachford im Jubez Karlsruhe, 29.3.2022
„Gut, dass es in dieser Zeit Musik gibt und unabhängige Musikläden wie diesen hier“, sagt Andrew Roachford zu Beginn des Konzerts im Jubez. Man spürt: Sänger und Band sind richtiggehend heiß auf die Bühne, und das Publikum bewegt sich schon beim ersten Song. Es folgt „High On Love“ – und der Titel ist Programm: das wird ein Abend, an dem die Spielfreude, die Lebensfreude, die Liebe und das ungeschriebene Gesetz „wir zusammen gegen den Rest der Welt“ fröhliche Urständ feiert. Mehr ansehen
Obacht! Explosives Power-Trio
Rob Tognoni, Jubez, Karlsruhe, 30.10.2019
Rob Tognoni – ein Schrank von Kerl mit einem Sack, prall gefüllt mit Millionen von Tönen – wird auch gern als „Tasmanian Devil“ bezeichnet. Sein Gitarrenspiel rechtfertigt diesen Ehrentitel allemal. An seinem 59. Geburtstag kalfakterte er sich im Jubez Töne ejakulierend durch einen Set, der den Gläubigen wieder einmal ohrenbetäubend vor Augen führte, dass das klassische Powertrio noch nicht tot ist. Tognoni und seine Sidemen spielten sich mit filigraner Brachialgewalt (das ist kein Widerspruch!) durch ein Jahrzehnt umspannendes Repertoire, und da werden wahrlich keine Gefangenen gemacht.Mehr ansehen
Frank Schäfer
Die Neuerfindung des Rock‘n‘Roll
Essays
Der Hannes Bauer, das ist doch der eine Gitarrist von Udo Lindenberg, der linkshändige. Klar, das weiss jeder. Aber dass Bauer dereinst das geilste Trio Bauer, Garn und Dyke führte, weiss heute kein Schwein mehr. Frank Schäfer holt jene einzigartige Kapelle, die tatsächlich bluesigen Hardrock auf deutsch hinkriegte, im Kapitel ›Keine Pausen schon seit Oberhausen‹ aus dem Nebel des Vergessens. Gäbe es sonst nichts in dieser Textsammlung zu entdecken, sie wäre das Geld wert. Obwohl der Vielschreiber die Zusammenstellung der bereits in verschiedenen Publikationen erschienenen Essays im Vorwort als Gelegenheitstexte markiert, gibt es dennoch einen roten Faden:, »denn diese Sammlung trägt dem Umstand Rechnung, dass die ganze populäre Musikhistorie eigentlich nur passiert ist, damit es irgendwann Metal gibt«. Wer unter dieser Prämisse liest, stellt fest: Da ist tatsächlich was dran. Dabei arbeitet derAutor mit verschiedenen Perspektiven. Im Kapitel ›Kleine Kulturgeschichte des Gitarrenhelden‹ gibt er den weitgehend sachlichen Musikhistoriker mit Detailkenntnissen des Instruments. Im Kapitel ›Hallelujah I love her so‹ glaubt man ihn süffisant lächeln zu sehen, während er sich über Versuche amüsiert, Popmusik auf den rechten, den christlichen Weg zu bringen. Im Woodstock-Kapitel analysiert er nachvollziehbar, dass Hendrix‘ Version der amerikanischen Nationalhymne kein so eindeutiges politisches Statement war, wie wir alle gerne glauben wollen. Wenn er die immense Energie von Rory Gallaghers Live-Auftritten beschreibt, wähnt man ihn mitten im Publikum, den Puls von Gallaghers kleinem Kofferamp auf Hochtouren gebracht. Manchmal braucht es nur einen Satz in einem längeren Text, um alles Wichtige über eine Band zu sagen: »Hawkwind sind Kunstkacke im Quadrat und einer der Gründe, warum es später Punk geben musste. Andererseits bestehen sie auch nicht aus Konservatoriums-Absolbneten, die den Graben zwischen E- und U überbrücken wollen und sich in langen Klassik-Exegesen ergehen, sondern aus musikalischen Dilettanten, die einfach gern ein paar Trips einwerfen und dann zusammen improvisieren, bis die Wirkung nachlässt.« Alles gesagt. Ach so, der Metal: Nach der Lektüre des Kapitels über die Anfänge von Judas Priest spürt, riecht und schmeckt man förmlich, woher das alles kommt und wohin es geht. Von ganz unten nach ganz oben.
Andreas Reiffer verlag, 2020, edition kopfkiosk, 134 Seiten, 9.50 Euro
Zur Erinnerung an Peter Rüchel.
Notiz: Ein Text von 2009, basierend auf einem ausführlichen Interview, erstmals veröffentlicht im ROCKS-Magazin. Ich hätte Rüchel damals gern persönlich getroffen, wäre zu ihm hingefahren…. aber er liess ausrichten, er habe keine Zeit. Dann wurde es ein Telefonat von zwei Stunden, war auch sehr gut. Trotzdem schade. Das Foto ist 2006 entstanden, bei einem Brunch zum 30. Geburtsag von BAP im WDR-Funkhaus in Köln. Ich habe mich vor lauter Ehrfurcht nicht getraut, ihn direkt um ein Foto zu bitten, mich dann aber doch herangeschlichen, mich in den Dreck geworfen als Unwürdiger, mich vorgestellt und ihm gedankt für all die erleuchtenden Rockpalast-Sendungen, die unsere Spätadoleszent aufhellten. Here we go….
23. Juli 1977: Die erste richtig lange Rockpalast Nacht in der ARD. Angeschlossen sieben Länder. Der damals 29jährige Peter Rüchel, er war gerade Leiter des WDR-Jugendprogramms geworden, hatte seinem damaligen Chef zwei Jahre zuvor den Vorschlag „gefilmtes Konzert, live“gemacht, und der hatte die Idee gut gefunden. Als Rüchel mit Regisseur Christian Wagner die Konzeption entwickelte, wollten sie weg von der Nummernrevue des Beatclub, weg von den Eingriffen der Regie durch allerhand Bildverfremdungen. Besonders Christian Wagner habe damals sehr puristische Vorstellungen gehabt, »wie sie Absolventen einer Hochschule gelegentlich haben, theoretischer Art: Dass die wichtigste Einstellung die Totale sein, weil sie demokratisch war, weil sie immer alle zusammen zeigte. Das war ja auch alles politisch damals«. Man einigte sich auf einen Mittelweg, der die Totale als Orientierung mit einbezog. Wenn es um Auswahl der die Bands ging, zogen sich die Herren in der Regel in ein badisches Hotelzimmer zurück: »Da hat der Christian Wagner mir dann einen möglichst schlechten Plattenspieler hingestellt, und ich habe gehört, was er mir vor-ausgewählt hatte. Der hat gedacht, nur was auf diesem beschissenen Plattenspieler noch gut klingt, ist gut«. Mehr ansehen
Erbarme! Wieder mal so’n hysterisches Fest
Rodgau Monotones im Jubez, Karlsruhe, 2004
Notiz: Es lässt sich nicht mehr verifizieren, wann genau das Konzert war. Ich war aber damals dermassen begeistert, dass sich eine der besten Live-Bands Deutschland überhaupt mal ausserhalb der hessischen Landesgrenzen auf eine Bühne getraut hat. Fotos habe ich damals nicht gemacht, die hier gezeigten Live-Bilder entstanden zehn Jahre später in Frankfurt bei einem Free Concert vor der Alten Oper. Aber die Musiker sahen 2014 keinen Tag älter aus als 2004. Mehr ansehen