The Living Years. The First Genesis Memoir
„Michael, Du bist der Sohn eines Marineoffiziers, du musst dich jederzeit wie ein Marineoffizier verhalten und immer stark sein“. Das waren die Worte, die Captain William Francis Henry Crawford Rutherford seinem Sohn Michael mitgab. Mit dem Tod des Vaters beginnt die erste Autbiografie eine Genesis-Mitglieds. Rutherford benutzt einen – zumindest für Rockmusiker-Biografien – ungewöhnlichen literarischen Kniff: er stellt sein Leben gegen das seines Vaters. Reichlich Material dafür hat er bei der Hand: Immer wieder zitiert er Passagen aus der unveröffentlichten Autobiografie des alten Rutherford, und beleuchtet damit zugleich den ungewöhnlichen familiären Hintergrund der Genesis-Gründungsmitglieder, die allesamt „höhere Söhne“ waren. Wobei erstaunt, wieviel Unterstützumg der jungen Michael von seinem Elternhaus erfuhr, als er sich zur unsicheren Musikerkarriere entschloss.
Die wird eindringlich geschildert, wobei der Schwerpunkt auf den frühen Genesis-Jahren liegt. Die Zeit bis zu Peter Gabriels Ausstieg nimmt mehr als die Hälfte des Buches ein. Hier gelingen dem Gitarristen einfühlsame Nahaufnahmen seiner Bandkollegen, der unterschiedlichen Charaktere und ihrer Reibereien, des Reifeprozeses der Band bis zu einem verkaufbaren Markenartikel. Wer allerdings Rutherford beim Waschen Schmutziger Wäsche zusehen will, wird enttäuscht. Überraschende Enthüllungen wird er hier nicht finden, allenfalls das Bekenntnis, dass auch er schon mal kurz zum kolumbianischen Marschierpoulver gegriffen hat. Je größer aber Genesis wrd, je mehr die Solokarriere mit Mike and The Mechanics Fahrt aufnimmt, desto oberflächlicher wird der Report. Das Anekdotische gewinnt zunehmend Überhand über das Analytische. Fast scheint es, als habe der Autor auf den letzten Metern ein wenig das Interesse an sich selbst verloren.
Constable, London, 2014, 241 Seiten. ca. 22 Euro
Humor hilft dem Blues
Mitch Ryder & Engerling, Karlsruhe, Tollhaus, 6.3.2020
Mitch Ryder ist wieder da, wo er vor fast auf den Tag genau vor vier Jahren eine orgiastisches Konzert gefeiert hat. Da schlurft er auf die Bühne und wirkt gerade so, als müsse man ihm beim blossen Herumstehen helfen. Als wäre er nicht gerade erst 75 geworden, sondern mindestens doppelt so alt. Oder ist es etwas anderes? Mehr ansehen
The Security Of Illusion / The Beginner’s Guide To Throwing Shapes (Re-Releases)
Ear Music / VÖ: 4.9.2015. Originalveröffentlichung 1989 (Beginners) und 1993 (Security)
The Beginners Guide To Throwing Shapes, 1989 veröffentlicht, markiert für viele eingeschworene Saga-Fans den Tiefpunkt der Karriere der Kanadier. Daran wird auch die Neuveröffentlichung nichts ändern. Gäbe es nur dieses eine Album, müsste man all jenen recht geben, die die Band unter „künstlich, aufgeblasen, herzlos“ ablegen. Das Album ist ein Kind seiner Zeit:Mehr ansehen
Spin It Again! Live in Munich
Ear Music / Edel / VÖ: 27.9.2013
Lauter! Härter! Sagenhafter!
Michael Sadler hat sich vor Jahren von Saga verabschiedet – mit einem Konzert in München. Und nun steht er wieder da, im November 2012 auf der Bühne der Münchener Muffathalle als Frontmann seiner alten Band, und es ist als wäre nichts gewesen. Saga machen das, was sie am besten können: Unterkühlte Präzision mit großer Gelassenheit abliefern. Aber auch mit einer offbear neu gefunden Intensität. Mehr ansehen
Ying und Yang
Saga & It Bites, Remchingen, Kulturhalle, 25.5.2009
Saga seien gepriesen dafür, dass sie It Bites hervorragenden Ton und prima Licht spendieren. Die wissen das zu nutzen und spielen einen dynamischen, energiegeladenen 40-Minuten Set. Das neu formierte Quartett mit John Mitchell an Gitarre und Gesang bettet alten Klassiker perfekt in ein Programm mit dem aktuellen Material einbettet. Keiner, der It Bites noch nie gehört hat würde einen Bruch bemerken. Mehr ansehen
Waiting For The Flood
Electric Magic / VÖ: 8.11.2013
Karl der Kiffer hat die Platte gehört, und erstattet Bericht: Ey, da sind nur vier Stücke drauf. Wie früher. Ich glaub‘, für Menschen, die es einfach mal fließen lassen wollen. Irgendwie so, ja? Auf und abwogende Gitarrenriffs die im Hintergrund mit so Schlieren östlicher Harmonien oder bluesigem Zeugs unterlegt sind, ein bisschen Räucherstäbchen-Aroma mit indische Geschmacksverstärkern. Mehr ansehen
Progressives aus Köln
Foto-Copyright Michael Schmidt, Teldec-Bildarchiv, Musikverlag Günter B. Merkel
In den 70er-Jahren steckten vor allem englische Journalisten alles in die Schublade Krautrock, was aus Deutschland kam. Ob Can, Amon Düül, ob Birth Control und Triumvirat – mit musikalischen Kriterien hatte das wenig zu tun. Während die einen möglichst weit weg von den angloamerikanischen Vorbildern musizierten, suchten die anderen genau dort Inspiration. Zu denen gehörten die Kölner Satin Whale, die dennoch ihre ganz eigene musikalische Sprache entwickelten.Mehr ansehen
Neues vom wirren Kommissar
Carlo Schäfer las aus dem Heidelberg-Krimi „Silberrücken“, Karlsruhe, 4.4.2006
Eher unscheinbar sieht er aus, dieser Carlo Schäfer. Seine Berufsbiographie – Abteilung „das bürgerliche Leben“ lässt denn auch keine kriminellen Ansätze erkennen. Früher war er Hauptschullehrer, jetzt ist er Dozent an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg tätig. Dieser Mann hat einen erfolgreichen Kommissar ins zum Erstarren klar konturierte Heidelberg gesetzt, den Hauptkommissar Theuer, der von Rezensenten kurz als „desillusioniert“ beschrieben wird. Nun ja, das sind sie ja wohl alle, die modernen fiktiven Ermittler.Mehr ansehen
„Was soll uns die Liebe?“
Neue CD von Volker Schäfer und Ensemble LesArt
„Erich Fried habe ich in den 80er Jahren einmal live gesehen, das hat mich total umgehauen, und hat mir den Weg zur Lyrik geebnet“, sagt Volker Schäfer. Den Ettlinger Gitarristen hat der 1988 verstorbene Lyriker, der sowohl für seine politischen Gedichte als auch für seine Liebeslyrik bekannt wurde, nicht mehr losgelassen. Jetzt ist aus Schäfers Begeisterung für Fried eine CD mit dem Ensemble LesArt geworden. „Was soll uns die Liebe“ vereint gelesene und gesungene Fried-Texte mit drei dazu passenden Texten des Romanciers Thommie Bayer. „Der Rote Faden ist, dass beide über Beziehungen zeitlos, voller Gefühl und mit nachvollziehbaren Worten schreiben“, erklärt Schäfer die nicht unbedingt nahe liegende Kombination.Mehr ansehen
Ein Meister des Erzählens
Rafik Schami, Ettlingen, Grünhaus der Stadtwerke, 20.11.2017
Rafik Schami ist immer für sein Publikum da. Es ist eine Liebe auf Gegenseitigkeit. Man spürt sie, noch bevor die Lesung beginnt. Schon jetzt signiert er Bücher, redet mit den Menschen und freut sich ganz besonders über einen Jungen unter seinen Fans: „Das ist doch wunderbar! Ein Kind, das abends zu einer Lesung kommt.“ Obwohl: Lesung ist nicht ganz das richtige Wort. Bevor Rafik Schami ein Buch veröffentlicht hatte, trat er vor sein Publikum, und erzählte. Mehr ansehen