Marillion

Marillion

Script For A Jester‘s Tear – Deluxe Edition (Re-Release)

Parlophone I VÖ: 3.4.2020, Originalveröffentlichung 1983

Vollbedienung für traurige Clowns

Marillions Debüt war das erfolgreichste Leuchtfeuer des Prog-Revival anno 1983. Mit dem Album keimte für kurze Zeit die Hoffnung auf, diese Musikrichtung könne wieder massentauglich werden. Die neue Veröffentlichung als 4CD/Blue Ray und Vinyl-Version toppt alle beisherigen Wiederveröffentlichungendes legendären Albums. Schon der Titel war Hinweis darauf, dass hier eine Band, insbesondere ihre Sänger und Texter Fish, bereit waren, ihr Innerstes nach aussen zu kehren. Die Musik, die viele damals an eine etwas grobklotzige Version von Genesis erinnerte, trug ihn und seinen extrem extrovertierten Gesnagstil zu Höhenflügen. Wer hätte sich nicht zum Titelsong in den Schmerzen verschmähter Liebe gesuhlt oder sich zu ›He Knows You Know gern mit Fish auf die Couch des Psychiaters gelegt? Der neue Stereo-Mix des Albums macht das Erlebnis noch intensiver. Was beim Wiederhören als Wermutropfen bleibt, sind die noch wenig subtilen Arrangements, mit Mick Ponters polterendem Schlagzeug als Ausrifezeichen. Zum Album-Remix gibt es neuen Stereomixe der B-Seite Charting The Singleund der EP Market Square Heroes‹. Am 29. Dezember 1982 spielte die Band live im Marquee Club alle Songs des zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlichten Albums. Dieses Konzert ist hier zum ersten Mal zu hören – und beweist, wie die bisherigen Live-Veröffentlichungen aus den frühen Tagen, dass Progressive Rock nicht nur sauber, wohlkonstruiert und verkopft, sondern auch durchaus leidenschaftlich und schmutzig klingen konnte. Ob es den schon früher veröffentlichten Aufnahmen vom 30. Dezenber 1982 vorzuziehen ist, muss jeder Marillion-Nerd für sich selbst entscheiden. Weiter enthält das Paket einen 5.1. Remix des Originalalbums und eine Dokumentation mit Interviews zu den Anfangstagen der Band..

7/10

Matthews Southern Comfort

Matthews Southern Comfort

The New Mine

MiG-Music I VÖ: 27.3.2020

In vielen Traditionen gereift

1969 hatten Matthews Southern Comfort ihre 15 Minuten Ruhm – mit einer tiefenentspannten Coverversion des Joni Mitchell Songs Woodstock. 2020 eröffnen sie ihr Album mit einer mindestens so atmosphärischen Version des Mitchell Songs Ethiopia‹. Mehr ansehen

McLagan, Ian

McLagan, Ian

United States

Yep Roc / Cargo Records / VÖ: 17.06.2014

Eingeschlafen im Pub

McLagan hat sich mit den Small Faces und danach als Pianist und Organist für Größen wie die Rolling Stones, Bob Dylan oder Bonnie Raitt die Aufnahme in die Rock’n’Roll Hall Of Fame 2012

redlich verdient. Sein eigenes Baby heisst The Bump Band, mit der er jetzt sein erstes Studioalbum nach fünfjähriger Pause vorlegt. Die Band runkelt sich tiefenentspannt durch zehn Nummern ohne bemerkenswerte Höhepunkte und verbreitet dabei gemütliches und sympathisches Pub-Rockflair. Da hört man leicht altersschwache Balzgesänge, Kirmesorgeln und immer wieder den gleichen, gemächlich schlendernden Grund-Groove. Manches lässt aber doch aufhorchen: Etwa der raue Charme von Don’t Say Nothing, bei dem McLagan stimmlich signalisiert: Baby, du kannst mir nichts vormachen, ich kenne den Lauf der Welt. Womit er vermutlich recht hat. Er kennt natürlich auch seinen Rod Stewart, sogar ein bisschen zu genau: Love Letter klingt wie ein Nebenprodukt den dessen Erfolgsalbum Sailing. Und das war schon damals nicht mehr so aufregend.

5/10

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McMurtry, James

McMurtry, James

Just Us Kids

Blue Rose / VÖ: 15.4.2008

McMurtry schleicht sich von hinten an. Mit dieser eigentlich ziemlich gelangweilten Stimme, mit den zugänglichen Melodien, die nachhaltig mehr zupacken als vieles von dem ganzen von der Kritik jochgejazzten gelangweilten „Americana“-Kram. Er kann straighten Rock’n’Roll genauso gut wie hypnotische Riffs mit boshaften Textinhalten anfüttern, dass es gerade so raucht. Mehr ansehen

Mendoza, Marco

Mendoza, Marco

Live For Tomorrow

Frontiers / VÖ: 6.7.2007

Wenn Bassisten Soloplatten machen, laufen sie oft Gefahr, Bassistenplatten für Bassisten zu machen. Marco Mendoza steht da drüber. Der ist in erster Linie ein Sideman, der bei seinen Arbeitgebern Whitesnake, Thin Lizzy, Ted Nugent oder Steve Lukather songdienlich zu spielen hat und allenfalls eine machomäßige, volltätowierte Bühnensau geben darf. Mehr ansehen

Metalium

Metalium

Nothing To Undo – Chapter Six

Massacre Records / VÖ: 26.1.2007

Wie klingt es, wenn eine deutsche Heavy.-Metal-Band „The Show Must Go on“ von Queen spielt? Klar: Der Drummer rumpelt im Refrain mit seinen beiden dicken Bertas, der Gitarrist schreddert die Strophe mit grauen Vierteln zu – und der Sänger singt noch opernhafter als Freddy himself. Queen auf Dosenbier und Helium quasi.Mehr ansehen

Michael Thompson Band

Michael Thompson Band

 Love And Beyond

Frontiers Records I VÖ: 26.04.2019

Große Gefühle revisited

Diese Musik ist so hoffnungslos aus der Zeit gefallen, dass sie selbst den Böswilligsten ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Es ist hochglanzpoliertes Hollywoodkino, bei dem man unwillkürlich an rosarote Stretch-Limousinen voller blondgelockter Topmodels denken muss. Bei deren Anblick der Sänger sein Herz aus der Brust reisst und es vor sie hinwirft. Der Gitarrist Michael Thompson wollte die großen Gefühle des Debütalbums von 1989 noch einmal mit vokaler Unterstützung von Larry King, Larry Antonino und Mark Spiro aufwallen lassen. Die Songs sind erwartungsgemäß familienfreundlich, auch wenn hie und da – wie im Titelsong – ein harter Riff aufblitzt. Das meiste sorgt in gemächlichem Midtempo für Atmosphäre. ›All Alone In A City Of Angels‹ will ganz großes Drama, klingt dafür aber einfach zu routiniert und kalkuliert. Wie überhaupt viele Songs nach AOR-Versatzstücken aus dem Baukasten klingen. Das Beste kommt erst gegen Ende: ›Just Stardust‹ ist pure Hypnose dank Bass-Erotik und sämiger Gitarrenchöre. Überhaupt kann man an den Gitarren bei allen Abstrichen am Songwriting einen Narren fressen: Jedes Solo ist sorgfältig durchdacht, vermutlich jede einzelne Note wissenschaftlich auf Wirkung geprüft. Und die haben sie ausnahmslos alle: Aphrodisiakum für die Ohren.

7/10

Moody Blues

Moody Blues

In Search Of The Lost Chord. 50th Anniversary Edition

Universal Music I VÖ: 2.11.2018. Originalveröffentlichung 1968

»Obwohl wir auf dem vorangegangenen Album ein Orchester hatten, waren wir überzeugt, wir sollten uns auf dem nächsten Album auf uns selbst verlassen. Wenn wir nun also ein bestimmtes Instrument in einem Song verwenden wollten, musste immer einer von uns herausfinden, wie man es spielt«, wird John Lodge im 76 Seiten umfasenden Booklet zitiert. Mehr ansehen

Moratti, Rob

Moratti, Rob

Paragon

AOR Heaven I VÖ: 30.10.2020

Standardsituationen

Eingängigkeit, bis es quietscht: Das ist das Erkennungsmerkmal des aktuellen Albums des ehemaligen Final Frontier- und kurzzeitigen Saga-Sängers Rob Moratti. Der sich für diese fünfte Solo-Unternehmung als Special Guests unter anderem die Gitarristen Joel Hoekstra und Ian Crichton geholt hat. Mehr ansehen

Mott The Hoople

Mott The Hoople

Live at Hammersmith Apollo 2009

Plastic Head / Soulfood / VÖ: 27.9.2011

Die wahren Punks

„We Went Off Somewhere On The Way, And Now I See We Have To Pay, the Rock’n’Roll Circus Is In Town“ singt Ian Hunter mit dieser brüchigen, und doch immer noch wild entschlossenen Stimme in ›Ballad Of Mott‹. Das ist einer der emotionalsten Momente dieses Reunion-Konzerts am 1. Oktober 2009 im Londoner Hammersmith Apollo, naturbelassen auf zwei CDs gepresst. Da ist er wieder, der kurze Herbst der Anarchie jener Nächte, in denen die Band in beinahe – klassischer Besetzung antrat. Einzig Drummer Terence Dale Griffin, an Alzheimer erkrankt, kommt erst zur Zugabe. Vorher macht Ersatzmann Martin Chambers (Pretenders) seinen Job mehr als gut. Er muss Griffins eigenwilligen Schlagzeugstil genau studiert haben. Die dritte, die Foto-CD beweist: Engländer altern besonders unvorteilhaftt, aber nur Mott The Hoople können akustisch mit einer unbekümmerten Schludrigkeit zu Werke gehen, die sie durchaus jugendlich klingen lässt. Wie eine leicht angetrunkene Horde Halbstarker, die nichts weiter geprobt hat als die groben Abläufe ihrer Songs. Der Sound ist breit, polterig und sehr orgel- und basslastig. Da wird nichts beschönigt. Nicht Hunters angeschrägter Gesang, nicht Ralphs eher lasches Riffing und sein katastrophaler Gesang bei ›Ready for Love‹, nicht die schludrigen Einsätze von Bassist Peter Overend Watts. Und Verden Allen? Er spielt seine Brüllorgel als notorische Sägewerk. Ein Keyboarder, ein wahrer Punk. Aber wen schert das alles. Jede Politur wäre ein Geschmacksvergehen an diesem Zeitdokument. Es sind die emotionalen Werte die hier zählen. Und diesbezüglich fährt diese Box schwere Geschütze auf, sowohl auf der Bühne als auch hörbar im Saal.

8/10