Hell Yeah!
Panteón Rococó, Karlsruhe, Tollhaus, 12.12.2019
Der wohl bekannteste politische Slogan, in dem das Wort „tanzen“ vorkommt, ist „Wenn ich nicht tanzen kann, dann ist es nicht meine Revolution“. Zugeschrieben wird er der Anarchistin und Feministin Emma Goldman. Vieles spricht dafür, dass sie ihn nie gesagt hat. Mehr ansehen
Welthits made in Zabrze
Die Popolskis, Karlsruhe, Tollhaus-Zeltival, 1.8.2008
Vor hundert Jahren, am 22. März 1908, erfand Opa Poposki die Popolski-Musik, die er später der Einfachheit halber in Popmusik umtaufte. Beim Pfarrfest hatte er 22 Gläser Wodka auf das Wohl der Jungfrau Maria getrunken, und er schrieb danach den Song, der als die Mutter aller Popsongs gilt: „Ei dobrze, dobrze dralla!“. Danach kamen weitere 128.000 Hits, die ihm allerdings von einem windigen Gebrauchtwagenhändler entwendet und in alle Welt verkauft wurden. Und nun tourt also die gesamte Verwandtschaft unter „der Oberhaupt der Familie“ Pavel Popolski alias Achim Hagemann durch die Welt, um die wahren Originale der Welthits zu zelebrieren. Der Oberhaupt der Familie ist schweigsam, wenn es um die wahre Identität der auf der Zeltivalbühne agierenden Popolski-Sippe geht. Immerhin weiß man, dass Pavel/Achim der Pianist des berühmten „Hurz!“-Sketches von Hape Kerkeling war. Die Polpolskis, verrät er immerhin, sind buchstäblich eine Schnapsidee, entstanden „nach viel Wodka zusammen mit polnischen Freunden“. Ein Narr, wer Schlechtes dabei denkt. Denn hier gibt es keine Polenwitze, im Gegenteil: In der Popolski-Story sind die Polen die Kulturnation und die Beklauten. Außerdem hat die gefälschte oberschlesische Sippe polnische Fanclubs in Deutschland und Polen.
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Abgeklärt und leidenschaftlich
Poseidon auf der Cafébühne, DAS FEST, Karlsruhe, Günther Klotz-Anlage, 23.7.2014
Wenn ältere Bands sich reformieren, um vergangene Heldentaten zu reproduzieren, kann das der Ebbe im Geldbeutel geschuldet und nicht immer ein Gewinn für den Zuhörer sein. Zumindest bei Profis. Anders verhält es sich bei Musikern, die nie wirklich im Profisektor operierten und nun – jenseits der 60 – ihre Jugend noch einmal musikalisch zelebrieren. Da steckt im Regelfall pure Liebe zur Musik dahinter. Und die Frage: Können wir den emotionalen Gehalt dessen, was wir als Mittzwanziger gemacht haben, nochmal glaubwürdig transportieren? Poseidon, Karlsruher Rocklegende der 70er Jahre, haben es am Mittwochabend auf der Cafébühne des „Vorfestes“ bewiesen – und dabei sowohl ihren Vorbildern als auch ihrem eigene Oeuvre angemessen Tribut gezollt.Mehr ansehen
Hypnotisierendes Rumpeln
Pothead im Substage, Karlsruhe, 1996
Ein Romananfang: An einem flauschigen Abend in der Hauptstadt des Schepperklangs, Seattle, USA, sollte der junge sympathische Gitarrist Brad einen Refrain suchen, den er nie finden würde. Seit das Licht in diesem gut bevölkerten Club ausgegangen war, hatte er seine Gitarre mit Inbrunst bearbeitet. es waren schöne Klänge heraus-gekommen, zwischen „kreisch“, „bröääääv“ und „zong“ war alles dabeigewesen, was das Herz erfreut. Aber immer wenn er zu einem Refrain an-heben wollte, machte es plötzlich „plop“, der Song war aus – und trotzdem: Die Leute unten im Saal führten sich so wild auf, als hätte es einen Refrain gegeben. Mehr ansehen
Ekstase als Lebensgefühl
Power! Percussion in der Schlossgartenhalle, Ettlingen, 11.7.2015
„Slave To The Rhythm“ läuft als letztes Stück über die Saalanlage in der Schlossgartenhalle, bevor das Licht ausgeht. Der Songtitel könnte das ungeschriebene Gesetz des Abends sein: Die fünf Perkussionisten, Schlagzeuger und Allround-Rhythmiker sind in der Tat Sklaven des Rhythmus. Oder ist es umgekehrt? Sie machen sich die Rhythmen untertan, die sich ebenso auf professionellem Schlagwerk wie auch auf Alltagsgegenstände wie Eimer oder Haushaltsleitern erzeugen lassen und formen daraus Musik von erstaunlicher Vielfalt, Tiefe und Dynamik, von extrem laut bis kaum hörbar.Mehr ansehen
Bis zur Rockerrente
Karlsruhe, Tollhaus, 8.11.2013
Die Puhdys akustisch? Geht das denn? Die Band, die 1969 als eine Art Deep Purple- und vor allem Uriah Heep-Ersatz für die in sich geschlossene Rockmusiklandschaft DDR angefangen hat, lebte doch eigentlich immer vom vollen Brett verzerrter Gitarren, von sämigen fetthaltigen Keyboardschwaden und der breitbeinigen Pose ihres Frontmanns Dieter Birr alias „Maschine“ – eines wahren Rock’n’Roll Schwerstarbeiters, der ebenso wie sein Gitarristenkollege Dieter „Quaster“ Hertrampf nächstes Jahr 70 wird. Gut, Alter war bei den Puhdys nie ein Problem, Keyboarder Peter Meyer, am Freitagabend im gut gefüllten Tollhaus als „Schwiegervater von Walter Ulbricht“ angekündigt ist 73.
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Das Tier und seine gelehrigen Schüler
Ian Paice & Purpendicular in der Festhalle Karlsruhe-Durlach, 28.3.2016
Hat der Mann denn nicht genug zu tun? Seit 48 Jahren trommelt Ian Paice für die immer noch hyperaktiven Deep Purple und jettet um die Welt, um in Workshops sein profundes Wissen in Sachen Schlagzeug weiterzugeben und lässt sich von seiner Gattin Jackie für deren Wohrtätigkeitsevent „Sunflower Jam“ auf die Bühne treiben. Zu wenig offenbar für den fast 68-Jährigen. Bei der laufenden Tour der Deep-Purple Tribute-Band Purpendicular sitzt er am Schlagzeug und hat Spaß dabei – wie am Sonntagabend in der Durlacher Festhalle deutlich zu sehen war. Mehr ansehen
Apokalypse, pyromanisch
Rammstein in der Festhalle Durlach, Karlsruhe, 1996
Mein Schwiegervater ist ein kluger Mann, aber manchmal sagt er so komische Sachen wie: Rockmusik ist unheimlich, weil die äußeren Umstände eines Rockkonzerts ihn immer an die Aufmärsche der Nazis in seiner Jugendzeit erinnern. Bisher pflegte ich auf solche Verdächtigungen immer im Brustton der Überzeugung: „Ach Quatsch!“ zu antworten. Mehr ansehen
Second-Hand-Prog aus Polen
Riverside im Substage, Karlsruhe, 27.3.2013
Fünf Alben haben die polnischen Vorzeige-Rocker Riverside inzwischen auf dem Markt, aber beim Konzert im Substage am vergangen Mittwoch starten sie selbstbewusst mit neuem Material. Mehr ansehen
„Thank you, my family“
Roachford, Jubez, Karlsruhe, 8.4.2014
Der kommt auf die Bühne, fragt kurz nach, ob man sich denn wohlfühle und grinst dann breit: „You’re ready“, gar keine Frage. Schon hat er sein Publikum. Dennoch: Der breiten Masse dürfte Andrew Roachford, der 49-jährige Londoner Sänger, Pianist, Gitarrist, Songschreiber eher als der Mann bekannt sein, der Paul Carrack bei Mike And The Mechanics beerbte. Seine eigene Musik hat noch einiges mehr zu bieten hat, als der Rutherfordsche Wohlfühlpop zulässt.Mehr ansehen