A Feast Of Consequences
Eigenvertrieb shop.fishheads.com / VÖ: 15.9.2013
Ein kapitaler Hecht
Stimmlich wieder deutlich besser in Form, mischt der alte Schotte Politisches, Historisches und Persönliches zu einem Album, das den Vergleich mit seinem Solo-Erstling nicht scheuen muss. Die Stimmung ist weitgehend düster, von Anfang an: „Perfume River“ birgt ein Geheimnis, das es uns nicht gleich verrät, aber in Schlieren von akustischen Gitarren und hinterhältigem Rhythmus andeutet. Ein perfekter Alptraum in einer aus den Fugen geratenen Welt. Die Inszenierung hütet sich vor Über-Arrangements, das dramatische kann alleine die Stimme tragen, die nun auch wieder die Nuancen meistert. Und die es auch braucht, um das zentrale Epos des Albums, das mehrere Songs unter dem Titel ›The High Wood‹ zusammenfasst, adäquat rüberzubringen. Diese Suite ist inspiriert durch einen Besuch des Künstlers auf den Schlachtfeldern des ersten Weltkriegs. Man hört förmlich das Unheil durch die Wälder stampfen. Faszinierend ökonomisch gesetztes Riffing erzeugt Lustangst und Großkino-Grusel, Chöre wie aus einem Finster-Musical marschieren durch den Solarplexus des Hörers und im Hintergrund lauert der Kashmir-Spirit des altvorderen Zeppelins. Der Sänger schlägt sich mit hörbarem Weltekel durchs Unterholz. Er kann aber auch ganz anders: „Blind To The beautifiul“ ist eine betörend spröde Singer- Songwriter Ballade, veredelt zudem durch eine herrlich unsentimentale Violine (Adrian O’Rourke) die auch an anderen Stellen des Albums positiv auffällt. Und wenn dann mal einfach gerockt wird („All Loved Up“), klingt es selbstbewusst und stolz. Aber nie banal.
9/10
Beklemmend und befreiend
Fish im Substage, Karlsruhe, 9.11.2014
Der Mann hat es im Griff, von Anfang an. Obwohl er von einer schweren Erkältung geplagt ist und „schwitzt wie ein Schwein“: Er kämpft vor rund 500 begeisterungsfähigen Fans im Substage von der ersten bis zur letzten Minute. Mit einer bestimmten, aber doch freundlichen Geste bringt er die Smartphone-Hobbyfilmregisseure in den ersten Reihen zum Einpacken ihrer Geräte. Gut so, sonst hätten sie vielleicht nicht die raumgreifende Düsternis bemerkt, die das langsam anschwellende „Perfume River“ vom aktuellen Album „A Feast Of Consequences“ erzeugt. Die üppige Instrumentierung lässt die Schwächen der angeschlagenen Stimme hinter dem überzeugenden Gesamteindruck verschwinden. Der Song malt in dick aufgetragener Ölfarbe den Alptraum einer aus den Fugen geratenen Welt. Der Sänger tanzt dazu seine eigene Choreografie. Mehr ansehen
Die Kerze brennt noch an beiden Enden
Fish, Substage, Karlsruhe, 9.11.2018
Torch, der Bürger vom Legoland, der Mann mit einer Allergie gegen Perrier, Tageslicht und Verantwortung, das Mitglied der „Morgendämmerungs-Patrouillen-Bruderschaft“: so beschreibt sich der Helden des Marillion-Albums „Clutching At Straws“ von 1987 im Song „Incommunicado“. Torch, dieser Typ, der – inspiriert von Jack Kerouac die Kerze an beiden Enden anzündet, wird vom nunmehr 60 -jährigen Fish bei seiner laufenden Tour noch einmal wiederbelebt. Und sein damals nur schlecht maskiertes Alter Ego kehrte das Innerste seines Schöpfers nach aussen. Die Exzesse von Alkohol, Sex und Macht. Die Qualen des Künstlers, der an einer Schreibblockade leidet, zerrieben von seinen Dämonen, zermürbt von Selbstmitleid und Antriebslosigkeit – das waren die Themen von „Clutching At Straws“ das zusammen mit einigen Songs vom 2019 erscheinenden Album „Weltschmerz“ das Gerüst der laufenden Tour bildet.Mehr ansehen
Wild Heart
Ruf Records / VÖ: 14.6.2015
Blues
Samantha Fish, gerade mal 26 Jahre alt, gilt als eine der Großen unter den jungen Bluesern. Ihre zunehmende Popularität mag auch damit zu tun haben, dads sie die Grenzen ihre Genres nach Herzenslust dehnt – auf dem aktuellen Album mehr als je zuvor:Mehr ansehen
Zuerst veröffentlicht im ROCKS Magazin 2020. Das Ergebnis eines – wie immer höchst anregenden – Gesprächs mit Herrn Dick. In der Vorberitung hatte ich mir eine Folge seines höchst unterhaltsamen Videoblogs „Fish On Friday“ angeschaut, und mich über den Einstieg amüsiert. Da nämlich zeigte er seinen Fans das Getränk, das er aus Sicherheitsgründen während der Aufzeichnung zu sich nahm: Erdinger Weissbier alkoholfrei. Genau die Droge, die ich seit einigen Tagen zum Zeitpunkt des Interviews zu mir nahm. Auch darüber redeten wir, aber auch über seine Sehnsucht nach Karlsruhe, über die Zipperlein älterer Herren – das alles steht nicht in dm Artikel. Aber wenn ich Zeit habe, kommt irgendwann das ganze Interview im Wortlaut noch auf dieser Seite….. also: hier ist der Artikel
Der lange Schotte macht Ernst: Mit dem Album Weltschmerz und der (hoffentlich) folgenden Tour beendet Fish seine Karriere als Musiker. Danach will er sich aufs Schreiben verlegen, konkrete Plöäne allerdings gibt es noch nicht. Mit dem opulenten Doppelalbum breitet er noch einmal seine Sicht auf den Zustand der Welt aus. Und die ist erwartungsgemäß melancholisch-düster.
Fotos: Copyright Kai R Joachim
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„Jetzt atmen wir einfach mal ins linke Knie“
Nepo Fitz im Epernay Saal des Ettlinger Schlosses, 16.1.2011
Auf dem Land ist alles ganz anders als in der Stadt – und wenn man in der niederbayrischen Provinz als Sohn der Kabarettistin Lisa Fitz aufwächst, ist es nochmal anders, und das heißt nicht etwa einfacher. Das ist die Botschaft, mit der Nepomuk „Nepo“ Fitz das Publikum im Epernay-Saal des Ettlinger Schlosses im Sturm erobert. Gleich vorneweg: Fitz ist den meisten Comedians, die sich mit den Initiationsriten der Mann-Werdung beschäftigen, haushoch überlegen. Das ist zum einem seinem schauspielerischen Talent zu danken, zum anderen seiner Distanz zu allfälligen Platitüden. Das alles trotz des furchteinflößenden Programmtitels „Pimpftown – wie werde ich ein Mann?“.Mehr ansehen
„Ich bin die Urmutter“ Eine Begegnung mit Joy Fleming
Joy Fleming beantwortet sogar Fragen, die ihr gar niemand gestellt hat: „Ich mag des ned, wann mer mich immer frogt; wie singt dann die Lena, was macht die? Was soll ich damit, ich kenn‘ die Fraa garnet“. Soviel zum Thema neues deutsches Fräuleinwunder. Jetzt zu den ernsten Themen. Joy Fleming braucht nicht viel: Sie kommt mit ihrem kleinen Schminkköfferchen reingerauscht, ein Blick in den mitgebrachten Spiegel, fertig. Maske vor der TV-Aufzeichnung? Fehlanzeige. Sie hat ja ihre Stimme dabei, das reicht. Joy Fleming, wie sie leibt und lebt. Am Donnerstagabend war sie im bei der Aufzeichnung der „Deutschen Schlager Hitparade“ in Alten Event Fabrik Waldbronn-Neurod zu Gast und stellte Titel aus ihrer neuen CD „So bin ich“ vor.Mehr ansehen
Paradox Hotel
(SPV / Inside Out) 7 VÖ: 4.4.2006
The Flower Kings kennen kaum Grenzen: Keine musikalischen und kaum zeitliche. 140 Minuten mussten es dieses Mal also sein. Gitarrist Roine Stolt hat fast alles geschrieben. Mehr ansehen
The Sum Of No Evil
SPV / Inside Out / VÖ: 25.9.2007
„The Sum of No Evil“ heisst eigentlich „Love“. Sagt Flower Kings Mastermind Roine Stolt. So sollte es auch heißen, aber dann kamen die Beatles mit dem Album eben jenes Titels. Pech – und auch irgendwie bezeichnend für die Musik der Flower Kings: Immer von hinten durch die Brust ins Auge. Mehr ansehen
Desolation Rose
Inside Out / VÖ: 25.11.2013
Die Kernkompetenz wiedergefunden
Wenn Flower Kings-Mastermind Roine Stolt gar zu produktiv wird, läuft seine Band immer Gefahr, musikalisch zu stagnieren. Umso überraschender erscheint nun das neue Werk, das vor Vitalität gerade so strotzt: Die Band hat an ihrem Songwriting gearbeitet und das Material gemeinsam im Studio erarbeitet und eingespielt. Selten ist es ihnen so gut gelungen, in einem fast 14-minütigen Epos wie dem Opener ›Tower One‹ wirklich die Spannung zu halten. Dieses Mal funktioniert es: Der Song steht im Vordergrund, nicht das Gefrickel. Ein Teil führt traumwandlerisch zum anderen, auch rhythmische Brüche sind subtil angelegt, während die Hintergrundfarben fast unmerklich wechseln. Das ganze Album klingt, als habe beim Komponieren die Spiellaune die Feder geführt, und nicht ein abstraktes Konzept. Und das, obwohl es eines gibt: Da geht es ums Versagen der Menschheit, ihre Gier und Ignoranz. Das Album hält seine Kraft über die ganze Länge durch: mit viel dampfender Interaktion zwischen Orgel und Gitarre und saftigen Melodien. Dazu hat sich eine neue Härte in den Sound der Blumenkönige geschlichen: Kantiges Gebolze etwa mit herrlichem Brüllorgelsolo wird in ›Desolation Road‹ aufgeführt. ›Dark Fascist Skies‹ macht mit finsterem Geriffe dem Titel gerecht und mit acht Minuten ›The Resurrected Judas‹ zeigen die Schweden, wie man 70er Jahre Prog ehrenhaft ins 21. Jahrhundert transportiert.
7/10