Kopfhörer live! (2008)

Kopfhörer live! (2008)

Weil „Live“ besser ist

Hinter den Kulissen der Sendung Kopfhörer Live!

Vor Jahren hatte ich eine Zeit lang die Gelegenheit, für die inzwischen leider eingestellte Zeitschrift Doppelpfeil des SWR ein paar Reportagen zu schreiben, und dabei auch hinter die Kulissen dieser Anstalt zu blicken. Einer der schönsten Aufträge war, bei der Produktion der Sendung „Kopfhörer live!“ dabei zu sein. Weil es da um echte Musik von echten Musikern ging….. Hier das Ergenis dieser Beobachtungen, damals nach umfänglichen redaktionellen Hin- und Hers so erschienen. Das Foto von Basta habe ich über zehn Jahre später gemacht, aber man will ja schliesslich auch online keine Bleiwüste…… here we go.

Wie ist die Stimmung? „Man ist immer am Checken, wie die Vibes so sind“ sagt Ira. Aha. Ira darf das so sagen, sie ist Sängerin von „Ira’s World“ und wird in etwa einer Stunde auf die Bühne gehen. „Das Kribbeln im Bauch ist anders als sonst. Ich mein’, es ist Radio und ich hab mit ‚Entertaining’ nicht immer so meine besten Tage…“ Der Rest ihrer Band amüsiert sich. Von wegen Probleme mit „Entertaining“. Es ist Samstag, 5. Juli, später Nachmittag. Vier Musiker sitzen ziemlich unaufgeregt unter einem großen Sonnenschirm. SWR 1 Kopfhörer live ist zu Gast bei der Kleinkunstbühne Rantastic im Baden-Badener Stadtteil Haueneberstein. Es ist ein prosaischer Ort: Hinter der Bühne die nackte Hauswand, die Künstler schauen von der Bühne auf ein fast mediterrane Szenerie: Das Publikum sitzt an kleinen Tischen, holt sich Drinks von der Bar, zwischendrin große Pflanzenkübel. Mitten im Blickfeld steht ein Strommast, direkt daneben das Mischpult, bedient von Frank Lemmert. FOH heißt sein Arbeitsplatz korrekt „Front Of House“, erklärt er. Er hat die Soundchecks mit den Bands abgeschlossen, es kann losgehen.

Mehr ansehen

Kuhn, Paul (2006)

Kuhn, Paul (2006)

„Robbie Williams kann ich nicht ausstehen!“

Paul Kuhn (1928-2013) war eine lebende Legende, als ich ihn 2006 traf. Er war der Mann am Klavier: Jazzpianist, Bandleader, Mehr als 70 Jahre war er im Showgeschäft. Dem Massenpublikum ist Paul Kuhn vor allem durch seine Schlager aus der Wirtschaftswunderzeit bekannt. „Es gibt kein Bier auf Hawai“ oder „Der Mann am Klavier“ haben viele noch im Ohr. Obwohl nicht meine Musik, der Mann interessierte mich. Ich  näherte mich dem damals 78jährigen mit Respekt, und er liess sich nicht anmerken, dass er ahnte, dass ich wohl von seiner Kunst wenig Ahnung hatte. Das stand dann in der Zeitung (BNN Ettlingen):

Oscar Peterson habe kürzlich in einem SPIEGEL-Interview bei der Frage nach Robbie Williams zurückgefragt, wer das sei und was der mache. Darüber kann sich Paul Kuhn so richtig freuen: „Den kann ich nicht ausstehen“. Mehr ansehen

Lazuli. Dieter Böhm gibt es wirklich!   (2020)

Lazuli. Dieter Böhm gibt es wirklich! (2020)

Musik mit Schmetterlingseffekt

Wer in Frankreich blind einkauft, was unter „Rock Francais“ einsortiert ist, wird gelegentlich überrascht, wie weit gefasst die französische Definition dessen ist, was Rock sein darf. Ähnlich verhält es sich im Sektor „Rock Progressif“. Wen man Glück hat, trifft man auf eine Perle wie Lazuli, die gerade ihr neuntes Studioalbum veröffentlicht haben.

Und es ging eine Botschaft aus von einer einzigen Note, die ein einziger Musiker auf einer einsamen Insel spielte. Aus der Note wird eine Melodie, die Melodie verbreitet sich wie eine Flaschenpost. Das ist die romantische Idee, die die Band aus Südfrankreich auf Le Fantastique Envol De Dieter Böhm entwickelt. »Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen?« Diese Frage stellte der amerikanische Mathematiker und Meterorologe Edward N. Lorenz im Bezug auf Wetterprognosen, um den sogenannten Schmetterlingseffekt zu veranschaulichen. »Dieser Vergleich gefällt mir sehr«, sagt Dominique Leonetti, Sänger, Komponist und Texter von Lazuli. »Es stimmt ja: Wenn man ein Lied auf einem mickrigen Blatt Papier schreibt, allein in seinem stillen Kämmerlein, dann ist es schwer vorstellbar, dass das bei irgendjemand da draussen ein Gefühl auslösen könnte. Aber dieser Schmetterlingseffekt hat unerwartete Folgen. Es ist wie ein Geschenk, das einem in den Schoß fällt.« Mehr ansehen

Like A Surgeon (2019)

Like A Surgeon (2019)

Rocken bis der Arzt kommt

Niotiz: Im Frühjahr 2019 erreichte mich ein Anruf der Stadtredaktion der Badischen Neuesten Nachrichten, für die ich im allgemeinen wenig unterwegs bin. Es gebe da ein großartige Band, bestehend nur aus Ärzten, die träten nur selten auf, aber wenn, dann oho! Mit denen sollte ich mich doch mal ins Benehmen setzen, denn nur ich könne das….Was ich auch tat, und ich war überrascht. Dass die spielen können, war eh klar. Aber da ist die ernorme Bandbreite des Repertoires und nicht zuletzt das „furchterregende“ Outfit mit Fake-Tattoos und allem, was einen echten Rocker eben so auszeichnet. Mein Bild von Ärzten war vorher ein anderes (okay, mal von dieser Berliner Band selbigen Namens abgesehen). Und vor allem: Spaß! Here we go….

Fotos: Copyright Nicole Heil

Ein Abend Anfang Mai im Karlsruher Substage: Der Laden ist voll, das Publikum tobt. Auf der Bühne schafft sich eine Band durch ein Repertoire von knüppelhartem Metal über Pop bis hin zu Schlagern. Die Herren und Damen sehen aus, wie eben Rocker aussehen: Lederklamotten. Tattoos – die ganze stilechte Optik. Erst nach fünf Zugaben geht die Party zu Ende. Aber halt: Wie hiess die Band nochmal? Like A Surgeon? Zu deutsch: Wie ein Chirurg. Man reibt sich die Ohren und staunt. 

Mehr ansehen

Lindenberg, Udo und seine Fans (2004)

Lindenberg, Udo und seine Fans (2004)

Der Panikpräsident sorgte für „Karlsunruhe“

Udo Lindenberg machte aus der dm-arena die „Durchmischarena“ – und traf sich vorher mit Fans. „Wir sind Kumpels von Udo vom Niederrhein. Wir fahren immer mit“, murmelt der finstere Mafioso. Man sieht es: Schlapphut tief ins Gesicht gezogen, Sonnenbrille, ganz in schwarz und um den Bauch den „Panik-Gürtel“. Frank Tenbruck heißt er, er bewegt sich wie sein Idol, aber er spricht deutlicher. Man trifft die Udo-Klons überall in der dm-arena vor der Bühne, männliche wie weibliche. Armin Eckmayer bezeichnet sich als Edel-Fan und distanziert sich davon: „Ich würde nie in dieser Verkleidung herumlaufen, davon distanziere ich mich.“ Aber wo Udo ist, da ist auch er, bis zu einem Dutzend Mal im Jahr. „Da gibt es diese blöde Sendung ‚Deutschland sucht den Superstar’. Die brauchen doch nur zu einem Lindenberg-Konzert gehen, dann sehen sie den Superstar“, meint er.Mehr ansehen

Marillion: Das Ende der Ära Fish (2014)

Marillion: Das Ende der Ära Fish (2014)

Das Bukowski-Album

Erschienen im ROCKS Magazin 2014

Recherchenotiz, 15. Dezember 2019: Der Text basiert im wesentlichen auf einem ausführlichen Interview, das ich mit Fish in einem asiatischen Restaurant am Karlsruher Ludwigsplatz führte. Er trank Sake, ich Cola Light. Damals war er eigentlich wild entschlossen, seinen Erstwohnsitz nach Karlsruhe zu verlegen. Er schätzte die Gelassenheit der Menschen, erzählte von der mangelnden Aggressivität. Ganz anders sehe es in seiner Heimat aus. Anfangs hatte ich den Eindruck, er wollte nicht wirklich über das Thema „Clutching At Straws“ sprechen, aber im Lauf des Gesprächs redete er sich richtig in Rage. So hatte ich ihn Jahre zuvor kennen gelernt, als er seine Tourmanagerin (?) zusammenfaltete, weil sie ihm einen gar zu frühen Flug gebucht hatte: Ein Mann, der das Herz auf der Zunge trägt, der andere – aber auch sich selbst – nicht schont. Wobei man sich immer wieder fragt: Wollen wir als Fans, als Journalisten, es wirklich alles so genau wissen? Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite sind wir natürlch nicht erst seit 2014 gespannt auf die Autobiographie des schottischen Sängers. Der nach dem Interview vorschlug, man solle doch nun noch zusammen einen Kaffee trinken gehen, gleich nebenan, seine Freundin Simoen käme auch gleich. Dann gab es zwei Stunden lang den höchst amüsanten Privat-Entertainer Derek William Dick, Anekdoten und die wahre Geschichte dieses Paares, das mittlerweile glücklich verheiratet in Schottland lebt. Aber die soll hier nicht erzählt werden….

 

1985 heben Marillion ab in den Hyperraum. Der Single Hit ›Kayleigh‹ ist schuld am plötzlichen Erfolg der Band. Die Single zieht das Album Misplaced Childhood im Juni 1985 bis auf Platz 1 der britischen Album Charts mit, die Progressive-Rock Band aus Aylesbury hat sich mit dem Erfolg in die Oberliga der Rockbands geschossen. Der Druck ist immens, als die Band sich an das Nachfolgealbum macht. Clutching At Straws wird brillant, aber ist auch der Anfang vom Ende der Ära Fish, der die Geschichte noch einmal aus seiner Sicht erzählt.Mehr ansehen

Metzger, Albrecht (2008)

Metzger, Albrecht (2008)

Berliner Multitalent aus Schwaben

Begegnung mit Albrecht Metzger, unter anderem Kabarettist,

2008 spielte Albecht Metzger, früher bekannt als Rockpalast Moderator, im Karlsruher Sandkorn-Theater ein großartiges Kabarettprogramm, das indirekt auch ziemlich viel mit seiner Vergangenheit zu tun hatte. Nach einem vorhergehenden Auftritt hatte ich eine  Kritik geschrieben, die er wohl sehr zutreffend fand. Er fühlte sich offenbar verstanden. Daraufhin  gab’s dann noch ein Porträt in den Badischen Neuesten Nachrichten, und irgendwann saß er dann mal bei mit zuhause auf der Couch und schenkte mir eine Weisspressung  der LP seiner damaligen Stuttgarter Politrockband Hotzenplotz. „Wir waren eigentlich recht harmlos“, sagte er damals. „In Karlsruhe gab es doch eine Band, die waren viel härter drauf als wir…. Checkpoint Charlie“. Da schau her. Hier nun also alles, was ich über Albrecht damals schrob, zusammengefasst zu einem Text. Es stimmt wohl so noch immer.

Er macht alles selbst. Das Management, die Bühnentechnik, das Bühnenbild, er ist sein eigener Fahrer und Roadie, sein eigener Booking- Agent und Tourneeplaner. Es ist Mittwochabend, Albrecht Metzger ist mit seinem Kabarettprogramm „Sex & Drugs & Rock’n Roll“ zu Gast im Karlsruher Sandkorn Theater. Morgens von Berlin angereist, aufbauen, spielen, abbauen, am nächsten Morgen zurück. „Scheißplanung“, feixt er, „aber ich bin ja selber schuld“. Das sei halt eben Rock’n’Roll, fügt er entschuldigend hinzu.

Mehr ansehen

Mokross, Benny (2020) Aus dem Leben eines freiberuflichen Musikers

Mokross, Benny (2020) Aus dem Leben eines freiberuflichen Musikers

„Hier können Sie aber nicht parken“

Fotos: Archiv Benny Mokross

Groupies, Champagner, ausschweifende Parties und viel Geld: Das ist das Klischeebild des Profimusikers. Die Realität sieht aber für die meisten freischaffenden Berufsmusiker deutlkich anders aus. Benny Mokross ist einer von ihnen: Der Schlagzeuger und Percussionist spielt vor allem Jazz und Weltmusik, er hat über 3.000 Konzerte gespielt und ist auf rund 60 Tonträgern zu hören. Er berieibt ein Tonstudio und ist Dozent. Zusammen mit dem Transorient-Orchestra sowie der Glen-Buschmann-Jazzakademie erhielt er 2017 den WDR Jazzpreis.

Jetzt hat er ein Buch veröffentlicht mit dem Titel „… hier können Sie aber nicht parken“. Man ahnt, worum es geht: der Musiker will sein Equipment ausladen, soll es aber einen Kilometer vom nächsten Parkplatz zur Bühne tragen. Die mal zu klein ist oder bei einer Open Air-Verantaltung nicht überdacht. Kaum hat die Band den ersten Ton gespielt, ruft der Gastgeber der Veranstaltung, für die sie gebucht ist: „Das ist viel zu laut, sie dürfen die Gäste nicht erschrecken, schließlich soll das hier kein Konzert sein, sonderm gepflegte Hintergrundmusik.“ Er erlebt Situationen zwischen Tragikomik, Unverschämtheit von Veranstaltern und schlichter Ignoranz gegenüber seiner Arbeit. Da wird eine Jazzband für eine Veranstaltung gebucht, deren Publikum eher betrunkene Punker sehen will. Manchmal spottet das Catering jeder Beschreibung, Mokross nennt es „Nährschleim“. Was er im amüsanten Plauderton beschreibt, erleben Jazz- und Rockmusiker in ähnlicher Form immer wieder. Ich habe mich mit ihm ausführlich über das Buch unterhalten. Hier ist das komplette Interview…..

Mehr ansehen

Mott The Hoople: Die Lieblinge von Joe Elliott

Mott The Hoople: Die Lieblinge von Joe Elliott

„Ich bin Ihr Botschafter“

Def Leppard-Sänger Joe Elliott über Mott The Hoople und Ian Hunter

Fotos: Copyright Madfish

Mott The Hoople heißen Silence, bis sie ihr späterer Produzent Guy Stevens unter seine Fittiche nahm. Er wollte ein Band kreieren, die wie ein Mischung zwischen Dylan und den Rolling Stones klingen sollte. In Ian Hunter finden Band und Produzent den geeigneten Frontmann, eine chaotische Karriere folgt, die 1972 den Höhepunkt mit All The Young Dudes erreicht, von David Bowie komponiert und produziert. Nach dem Ende von Mott The Hoople macht Ian Hunter solo weiter, bis heute. Einer hat diese Karrieren seit Kindesbeinen mit Leidenschaft verfolgt: Def Leppard Sänger Joe Elliot rührt schon seit Schultagen die Werbetrommel für Hunter & Co. Nur konsequent, das der Junge aus Sheffield 2009 beim letzten der Mott The Hoople Reunion Konzerte, das Vorprogramm bestreiten durfte. Nein, musste. Mehr ansehen