Tod und Geburt als Tragikomödie
Gardi Hutter präsentierte „Gaia Gaudi“ in der Remchinger Kulturhalle, 17.11.2021
Gaia ist die Erdgöttin in der Griechischen Mythologie. Gaia ist auch der Beruf der Clownin Gardi Hutter. Deren Programm, das am Dienstagabend in der Remchinger Kulturhalle zu sehen war, bringt beide zusammen, und noch mehr: Anfang und Ende, Geburt und Tod. Gleich zu Beginn begegnet Hutter – in ihrer Rolle als Hanna – einer weiteren, reglosen Figur, die ihr bis aufs Haar gleicht. Entsetzen, Verwunderung, Hilflosigkeit und die tragikomische Entdeckung, dass sie tot sein könnte. Das Publikum ahnt es, Hanna offenbar noch nicht. Mehr ansehen
Das Leben kann nicht schreiben
Hellmuth Karasek las im Grünhaus der Stadtwerke Ettlingen, 31.3.2011
Die Angst des Glossenschreibers vorm weißen Blatt Papier gibt es wirklich. Donnerstagabend, eine halbe Stunde vor der Lesung am im Grünhaus der Stadtwerke denkt Hellmuth Karasek im Gespräch mit den BNN laut nach: „Es ist ganz furchtbar“, sagt er: „ich bin heute etwas unkonzentriert, weil ich bis morgen eine Glosse schreiben muss. Ich hab zwei Themen, aber ich weiß wirklich nicht, ob ich wieder über Westerwelle herfallen soll. Das zweite wäre, dass Udo Jürgens auf seiner neuen Platte singt „Die Erde ist eine Google“, und das ist ein Plagiat, wie ich heute in der Süddeutschen gelesen habe, da will ich dem mal nachgehen“.Mehr ansehen
Menschen, Tierschau, Sensationen
Die Kleine Tierschau im Tollhaus, Karlsruhe, 11.10.2013
Ach ja, das gibt es also auch noch: Man kommt durchs Publikum in einer Verkleidung auf die Bühne, die brüllt: Guck her, ich bin originell. In diesem Falle sind die Herren Michael Schulig und Michael Gaedt, der lustige Rest der dereinst drei Männer der Kleinen Tierschau, als Wohnmobile verkleidet und singen folgerichtig ihre eigene Version von „Caravan Of Love“. Damit machen sie in den ersten Minuten eine klare Ansage über die Subtilität ihres Humors, den sie in den folgenden zwei Stunden als Verkleidungskünstler und musikalische Chamäleons zelebrieren werden. Soll keiner sagen, er habe nichts gewusst.Mehr ansehen
„Hör’ ma‘, Karlsruhe! Ja sischer!“
Gaby Köster in der Badnerlandhalle Karlsruhe-Neureut, 21.4.2007
Gaby ist eine Gute, da kann ihr Humor noch so derb sein, ihre Themen so was von tausendmal durchgenudelt. Sie ist trotzdem witzig. „Ja sischer“ mit rheinischem „sch“ und Betonung auf der letzten Silbe, wie sie es sagen würde. Denn ihr stehen zwei ganz entscheidende Waffen zu Gebote: Erstens ihre geradezu furchterregende Lache. Brauchte Monty Pythons Flying Circus noch einen Witz, um damit Mauern zum Einsturz und Feinde zu Tode bringen zu können- bei Gaby reicht ein Lacher. Zweitens: Kölsch, neben Bayrisch (und vielleicht noch Mannemerisch) der Dialekt, indem Derbes besonders derb kommt, und doch auch zärtlich und heimelig.Mehr ansehen
Gar nicht Piano am Flügel
Michael Krebs im Tollhaus, Karlsruhe, 5.10.2017
Im vergangenen Jahr war Michael Krebs mit seiner Wacken-tauglichen Kleinstkapelle Die Pommesgabeln des Teufels beim Tollhaus-Zeltival zu sehen und zu hören, nun also gastierte er solo im Tollhaus, und siehe da: Auch wenn ihm „nur“ der Flügel zu Gebote steht, wird er noch lange nicht zu einem dieser betulichen Musikkabarettisten, die zu schwelgerischen Melodeien kaffeekränzchentaugliche Aphorismen zum besten geben. Mehr ansehen
Elterntelefonate des Wahnsinns
Sebastian Lehmann, Tollhaus, Karlsruhe, 28.1.2022
Der Rezensent des Auftritts von Sebastian Lehmann im Tollhaus am vergangenen Freitagabend hatte mal einen Kollegen, der gelegentlich davon sprach, er werde nun gleich „aus einem Pferdeäpfelchen ein Goldstück machen“. Das könnte auf die Kunst des Wahlberliners Sebastian Lehmann zu treffen, der die Lacher des Publikum vor allem aus Telefonaten mit seinen in seiner Heimatstadt Freiburg in Rentnerritualen erstarrten Eltern saugt. Mehr ansehen
Hinterhältiger Humor
Anna Mateur, Tollhaus, Karlsruhe, 8.3.2020
Wer sie zum ersten Mal erlebt, kriegt vielleicht eine Schreck: Sie kommt auf die Bühne als gewichtige Langeweile. „Schon wieder Karlsruhe“. Sie seufzt und ächzt, beiläufig erwähnt sie „ein Corona-Toter in Deutschland, wir spielen heute nur zu zweit“. Mehr ansehen
Paranoider Pointenjäger
Michael Mittermeiergastierte in der Stadthalle, Karlsruhe, 26.2.2005
Die Intromusik ist setzt hohe Maßstäbe: „Paranoid“ von Black Sabbath. Kränker geht es halt nur schwer. Wer gegen Ozzy Osbournes finales Statement zum Irresein anstinken will, hat schon fast verloren. Das ahnt Mittermeier, der beileibe kein Irrer ist, sondern vor allem ein guter Hand- und Mundwerker. Da kann er noch so sehr affenähnliche „silly walks“ durchprobieren, Glubschaugen- und Glubschmünder, ganze Glubschkörper auf die Bühne bringen. Er ist der Mittermeier aus Bayern. Sympathisch, harmlos. Manchmal gut. Er ballt Fäustchen, streckt Finger raus, zeigt viel in die Luft. Und macht viele Geräusche, wie man sie aus Sprechblasen kennt, nur lauter. Gestik und Mimik und Geräusch, so vielfältig sie aufs erste wirken mögen, sind doch reduziert auf das, was man auch von weit hinten im großen Saal noch deuten kann. Das ist legitim, aber nicht eben subtil.Mehr ansehen
Olle Schabracken, voll bis obenhin
Ingrid Noll las bei den Karlsruher Krimitagen, BGV-Versicherung, 7.3.2008
Ingrid Noll geht ihr Publikum genauso an, wie es ihre Romane tun: In lapidaren Sätzen, immer auf den Punkt. Worum also geht es in „Ladylike“, ihrem mittlerweile zwei Jahre alten Buch? „Zwei ältere Schachteln, so in meinem Alter. Damit sie nicht lange rechnen müssen: ich bin 73“. Obwohl sie nichts Neues liest, ist ihre Anziehungskraft ungebrochen. Die auflagenstärkste deutsche Krimi-Autorin hat bei der Lesung im Rahmen der Karlsruher Krimitage volles Haus im Alten Foyer des Badischen Gemeindeversicherungsverbandes.Mehr ansehen
„Sie feiern immer Fehden“
Ossi-Salon im Figurentheater „marotte“, Karlsruhe, 3.10.2016
Auch 26 Jahre nach der deutschen Wiederbereinigung sorgt der „Ossi-Salon“ im Figurentheater „marotte“ immer noch für ein ausverkauftes Haus. Dieses Mal gelang es insbesondere Jana Weichelt, Studentin der Hochschule für Darstellende Kunst Berlin, dem Rückblick auf den untergegangen Arbeiter- und Bauernstaat neue Facetten abzuringen. Sie schlüpft in ihrem turbulenten, collagenartigen Stück „Froh ist der Schlag unserer Herzen” in verschiedene Rollen: Sie ist die Putzfrau, die Dokumente aus der Vergangenheit entdeckt und dadurch in ihre Kindheit als Thälmannpionier eintaucht. Dabei spielt sie mit Hilfe von Puppen und Projektionen ein trickreiches Spiel mit Assoziationen, Fantasie und Wirklichkeit, das den Alltag einer Heranwachsenden in der DDR ausleuchtet. Da ist etwa das Mädchen, dessen Eltern in die Schule zitiert werden, weil das Kind Westfernsehen geguckt hat, im Bühnenhintergrund prangt das Honecker Porträt, manchmal leuchten die Augen. Mehr ansehen