Jetzt neu mit Schnaps
Gerd Dudenhöffers neuer Heinz Becker: „Wiederspruch“, Karlsruhe, Konzerthaus, 18.12.2005
Heute mal nicht im Hausmeisterdress. Dudenhöffer alias Heinz Becker sitzt in der Weitläufigkeit der Konzerthausbühne auf diesem gedrungenen Cordsofa, im karierten Hemd, die Batschkapp als Weltanschauungssymbol auf dem Kopf. Und kommt wie gehabt vom hundertsten ins Tausendste, von der Klospülung zur Weltanschauung. Kaum ist die Klospülung aus dem Off verhallt,. hadert er schon mit seinem „Kotlett“, das er sich beim Telefonieren gezerrt hat. Und mit dem Nachbarn, mit dem es Verstimmungen gab, „Weil ich am letschte Silvester länger geschoss han als er“. Klammheimlich schleicht sich das Grauen in Beckers Rede. Immer konterkariert durch die Sparsamkeit der Gesten, die nichts Böses signalisiert und mit ihren Pausen doch ahnen läßt: inter der Batschkapp braut sich was zusammen. Mehr ansehen
„Rübe ab! Komplett“
„Erlösung“ mit Matthias Egersdörfer und Martin Puntigam im Tollhaus, Karlsruhe, 22.3.2017 Foto Copyright Tollhaus (Foto von 2021)
Den Matthias Egersdörfer kennt Wikipedia als Kabarettisten „mit unverkennbarem Hang zur Cholerik“, Martin Puntigam wird gelegentlich ein Hang zum Zynismus nachgesagt Zusammen aber, so behaupten der Franke und der Wiener, wollen sie in ihrem Programm „Erlösung“ ganz brav sein und jedweder Bosheit abschwören. Das Ergebnis des Versuchs war am vergangenen Mittwochabend im Tollhaus zu bestaunen.Mehr ansehen
Vom Leiden vermeintlicher Altruisten
Christian Ehring im Tollhaus, Karlsruhe, 21.1.2017
Es ist bekanntlich so, dass gut gemeint nicht immer das Gute schafft. Insbesondere bei Menschen, die über eine so muskulöse Moral verfügen wie der Bizeps eines Bodybuilders. Christian Ehring, fernsehbekannt aus extra 3 und heute-show, bringt in seinem Soloprogramm „Keine weiteren Fragen“ einen solchen Moralapostel aus dem Bioladen-Yoga-Veganismus-Milieu auf die Bühne. Dieser Kerl muss sich ständig neu justieren, um den Anspruch der eigenen Ideologie mit der Realität, seinem Egoismus und der Umwelt unter eine Hut zu bringen, und verheddert sich dabei erwartungsgemäß aufs Fürchterlichste. Dabei ist er nicht mal unsympathisch, aber zugleich rasend verlogen.Mehr ansehen
Musik als komische Sprache
Faltsch Wagoni im Jubez, Karlsruhe, 14.2.2009
Er fängt an, auf der singenden Säge „O sole mio“ zu spielen, und da merkt sie umgehend an, sie habe schon immer ein Soloprogramm machen wollen. Was ihm wiederum Gelegenheit gibt, mit einem beiläufigen „Ohne mich!“ zu antworten. Will man denn einen roten Faden in diesem „Best of“ Programm sehen, dass das Musikkabarettisten-Duo Faltsch Wagoni (Silvana Prosperi und Thomas Busse) am Samstag im Jubez aufführte, dann mag es im weitesten Sinne der Kampf der Geschlechter sein. Dem nähren sich die beiden zumeist mit dem Mittel des Wortspiels. Hinlänglich subtil, selten grobklotzig. Lösungen werden nicht angeboten. Stattdessen gibt es musikalisch mit vielfältigen Mitteln in Szene gesetzte Frage- und Ausrufezeichen.Mehr ansehen
„Jetzt atmen wir einfach mal ins linke Knie“
Nepo Fitz im Epernay Saal des Ettlinger Schlosses, 16.1.2011
Auf dem Land ist alles ganz anders als in der Stadt – und wenn man in der niederbayrischen Provinz als Sohn der Kabarettistin Lisa Fitz aufwächst, ist es nochmal anders, und das heißt nicht etwa einfacher. Das ist die Botschaft, mit der Nepomuk „Nepo“ Fitz das Publikum im Epernay-Saal des Ettlinger Schlosses im Sturm erobert. Gleich vorneweg: Fitz ist den meisten Comedians, die sich mit den Initiationsriten der Mann-Werdung beschäftigen, haushoch überlegen. Das ist zum einem seinem schauspielerischen Talent zu danken, zum anderen seiner Distanz zu allfälligen Platitüden. Das alles trotz des furchteinflößenden Programmtitels „Pimpftown – wie werde ich ein Mann?“.Mehr ansehen
Thriller mit Umweltschutzfaktor
Krimitage: Michael May und Nicola Förg lasen aus „Wütende Wölfe“, Kammertheater, Karlsruhe, 30.3.2019
Die Irmi Mangold, das ist eine ganz patente. „Die hat schon einen Freund, aber der ist verheiratet. Immer, wenn sie ihn braucht, kommt er. Aber dann ist sie ihn auch wieder los. Das ist mir sehr sympathisch“. So stellte die Schauspielerin Michaela May am Samstagabend im Kammertheater die Kommissarin vor, die ihre Freundin, die Bestsellerautorin Nicola Förg erfunden hat. Die Irmi Mangold ernittelt in ihrem zehnten Fall „Wütende Wölfe“ auf einer Alm, obwohl sie eigentlich im Sabbatical ist und ihre Ruhe haben will. Aber dort geraten Tiere in Panik: War ein Wolf unterwegs? Kurz darauf wird eine Frau von einer Kuh überrannt, und dann gibt es einen Toten, und noch einen Toten…Mehr ansehen
Weder entlarven noch sezieren
Max Goldt im Tollhaus, Karlsruhe, 14.1.2020
Der Teufelsaustreiber in Sachen Sprache für die vermeintlich, nein: vermutlich gebildeten Stände, Bastian Sick, hat einmal Udo Jürgens für seine „nicht weniger als 19 Konjunktivformen in einem schlichten Liebeslied von dreienhalb Minuten Dauer“ gepriesen, und bei Max Goldts virtuoser Handhabung des Konjunktivs möchte man wähnen, er spränge (sprünge?) gleich aus den Kulissen, um ihm den Udo-Jürgens-Orden für nicht gesungene Konjunktiv-Verwendung anzuheften. Kürzlich hat Goldt in einem viel zitierten Interview verkünden lassen, er gehe nur äusserst selten zu Lesungen, wegen der dabei anfallenden Trivialitäten wie „fürchterliche Ansagen und Podiumsgespräche“. Ein Erfolg dagegen sei eine Lesung, „wenn die Leute ganz konzentriert zuhören und anschliessend fest und lang applaudieren“.Mehr ansehen
Rainald von Münchhausen, der Verwirrende
Rainald Grebe mit dem „Münchhausenkonzert“ im Tollhaus, Karlsruhe, 22.2.2020
Rainald Grebe, das ist diese irritierende Bühnenfigur, bekannt für illusionslose Hymnen auf desolate Bundesländer, der früher mal mit langem abnehmbarem Bart aus Dichtungshanf, ein anderes Mal mit Indianer-Kopfschmuck auftrat. Heute kommt er in einem schwerem, rotem Königsmantel mit Lichterkette auf dem Kopf in den Saal, als wäre gerade Weihnachten und Karneval gleichzeitig. Da schon fängt das Spiel mit verdeckten Karten an: Was soll das? Warum tut er das? Ah: Vermutlich der Baron von Münchhausen!Mehr ansehen
Der Untote
Josef Hader im Tollhaus, Karlsruhe, 13.10.2007
„Hader muss weg“ heißt das Programm. Keine Bange, Hader kommt weg. Und wie. Erst schmeißt er sich aus dem Auto eines halbintellektuellen Verehrers, liegt schon ziemlich zerschmettert da, setzt sich neu zusammen, um dann von einem Tankstellenbesitzer erschossen zu werden. der wiederum am liebsten jedem den Tod androht, der die Worte „Shell“ oder „Aral“ nur ausspricht. Aber auch der tote Hader ist sehr lebendig, spielt sieben Rollen, darunter zwei Frauen, wechselt Stimmen und Stimmung im Saugalopp, aber nie den Mantel. Kottans Mantel, vermuten einige, und das könnte ein Hinweis sein: der an einer irren Welt selbst irre werdende Ermittler schneidet Hirne auf. So wie sein eigenes, auslaufendes, als er tot am Boden liegt, von einer seiner voyeuristischen Figuren inspiziert wird: Ist da nicht eine Ameise, die im Hirnschmalz stecken geblieben ist? Stecken in den losen „Hirnbröckeln“ vielleicht sieben, acht oder neuen Kabarettprogramme? Mehr ansehen
Zwei Irre aus Hamburg
Gerhard Henschelund Billy Shears retten die Beatles. Jubez, Karlsruhe, 30.11.2005
Man stelle sich vor, die Beatles gehen wieder auf Tour, und keiner geht hin. Eine absurde Vorstellung, in jeder Beziehung. Nun stelle man sich vor, der Autor des vielleicht vergnüglichsten, absurd-komischsten Buches (zumindest in deutscher Sprache) zum Thema Beatles liest in Karlsruhe und drei zahlende Zuhörer erscheinen. So geschehen am Dienstagabend im Jubez. Gerhard Henschel, Autor von „Der dreizehnte Beatle“ denkt erst mal nach, was man nun mit dem angebrochenen Abend machen soll. Gleich Bier trinken oder erst lesen? Okay: Erst Bier trinken, dann lesen, dann wieder Bier trinken. In Darmstadt kamen auch gerade mal zwei Zuschauer, erzählt er beim Aufwärmpils, anderswo aber sechzig. Und das es prinzipiell schwerer sei, bei dreizehn Zuschauern das Haus zu rocken als bei dreihundert.Mehr ansehen