Wehe, wenn sie losgelassen
Mothers Finest im Substage, Karlsruhe, 11.10.2014
„Black Radio Won’t Play This Record“ hieß ein Album der Band, die 1970 von dem Ehepaar Glen Murdock und Joyce „Baby Jean“ Kennedy in Atlanta gegründet würde. Sieht man diese unverwüstliche Band heute auf der Bühne, beschleicht einen das Gefühl, kein Radio dieser Welt könnte diese Musik jemals spielen. Es würde platzen. Mother’s Finest, die nach dem 92er Album gerade mal noch ein weiteres Studio-Werk veröffentlicht haben, sind live nach wie vor die intensivste und härteste denkbare Kreuzung von Funk und Metal.
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In Lärmgewittern gereift
Mothers Finest im Substage, Karlsruhe, 7.11.2019
»It‘s The Groove, Stupid«, möchte man all jenen zurufen, die da meinen, Mothers Finest hätten verlernt, packende Songs zu schreiben. Natürlich haben die Unkbolde in gewisser Weise Recht. Denn fast alles, was die Band in den vergangenen 20 Jahren veröffentlicht hat, ist songschreiberisch eher Mittelmass. Aber wen stört das, wenn er Jahr für Jahr, Tournee für Tournee wieder einen solch geballte Packung an raffiniert verschachtelten Funk-Rhythmen, Metal-Riffs und nach alter Hippie-Schule ausgedehnten Gitarren-Inprovisationen in die Fresse gedrückt bekommt? Mehr ansehen
Suhlen in diversen Ursuppen
Carl Carlton’s Songdogs feat. Mother’s Finest bem Tollhaus-Zeltival, 1.7.2009
Carl Carltons musikalische Heimat mögen zwar rein buchhalterisch Udo Lindenbergs Panikorchester und Peter Maffays hochkarätige Musikerversammlung sein, aber ideell kommt der lange Gitarrist mit dem sympathisch norddeutschen Slang dann doch eher aus den Sümpfen Louisianas und aus der Gitarrenschule der Herren Richards und Wood. Wobei all das einen Tick lauter, härter und kompakter klingt. Carlton tritt im Doppelpack mit Mother’s Finest an – und so gibt es am vergangenen Mittwochabend im nur halbvollen Zeltival-Zelt konsequente Schwerstarbeit in Sachen bodenständiger Rock’nRoll und Metal-Funk. Mehr ansehen
The Ballad Of Mott The Hoople
Start Productions / Cargo Records / VÖ: 3.10.2011
Kris Needs, Präsident des Mott The Hoople Fanclubs „Seadivers“ weiss es: Mott The Hoople waren eine Band des Volkes. Ganz anders als die Stones. Toningenieur Andy Johns kennt Zahlen: Ian Hunter habe es geschafft, 82 bis 83 Prozent dessen, was ihn emotional bewegte, zu Musik zu machen. Drummer Buffin schreibt die Magie der frühen Tage vor allem dem Produzenten Guy Stevens zu: »Guy sah in der Band etwas, das wir nicht sahen«.Mehr ansehen
Live at Hammersmith Apollo 2009
Plastic Head / Soulfood / VÖ: 27.9.2011
Die wahren Punks
„We Went Off Somewhere On The Way, And Now I See We Have To Pay, the Rock’n’Roll Circus Is In Town“ singt Ian Hunter mit dieser brüchigen, und doch immer noch wild entschlossenen Stimme in ›Ballad Of Mott‹. Das ist einer der emotionalsten Momente dieses Reunion-Konzerts am 1. Oktober 2009 im Londoner Hammersmith Apollo, naturbelassen auf zwei CDs gepresst. Da ist er wieder, der kurze Herbst der Anarchie jener Nächte, in denen die Band in beinahe – klassischer Besetzung antrat. Einzig Drummer Terence Dale Griffin, an Alzheimer erkrankt, kommt erst zur Zugabe. Vorher macht Ersatzmann Martin Chambers (Pretenders) seinen Job mehr als gut. Er muss Griffins eigenwilligen Schlagzeugstil genau studiert haben. Die dritte, die Foto-CD beweist: Engländer altern besonders unvorteilhaftt, aber nur Mott The Hoople können akustisch mit einer unbekümmerten Schludrigkeit zu Werke gehen, die sie durchaus jugendlich klingen lässt. Wie eine leicht angetrunkene Horde Halbstarker, die nichts weiter geprobt hat als die groben Abläufe ihrer Songs. Der Sound ist breit, polterig und sehr orgel- und basslastig. Da wird nichts beschönigt. Nicht Hunters angeschrägter Gesang, nicht Ralphs eher lasches Riffing und sein katastrophaler Gesang bei ›Ready for Love‹, nicht die schludrigen Einsätze von Bassist Peter Overend Watts. Und Verden Allen? Er spielt seine Brüllorgel als notorische Sägewerk. Ein Keyboarder, ein wahrer Punk. Aber wen schert das alles. Jede Politur wäre ein Geschmacksvergehen an diesem Zeitdokument. Es sind die emotionalen Werte die hier zählen. Und diesbezüglich fährt diese Box schwere Geschütze auf, sowohl auf der Bühne als auch hörbar im Saal.
8/10
„Ich bin Ihr Botschafter“
Def Leppard-Sänger Joe Elliott über Mott The Hoople und Ian Hunter
Fotos: Copyright Madfish
Mott The Hoople heißen Silence, bis sie ihr späterer Produzent Guy Stevens unter seine Fittiche nahm. Er wollte ein Band kreieren, die wie ein Mischung zwischen Dylan und den Rolling Stones klingen sollte. In Ian Hunter finden Band und Produzent den geeigneten Frontmann, eine chaotische Karriere folgt, die 1972 den Höhepunkt mit ›All The Young Dudes‹ erreicht, von David Bowie komponiert und produziert. Nach dem Ende von Mott The Hoople macht Ian Hunter solo weiter, bis heute. Einer hat diese Karrieren seit Kindesbeinen mit Leidenschaft verfolgt: Def Leppard Sänger Joe Elliot rührt schon seit Schultagen die Werbetrommel für Hunter & Co. Nur konsequent, das der Junge aus Sheffield 2009 beim letzten der Mott The Hoople Reunion Konzerte, das Vorprogramm bestreiten durfte. Nein, musste. Mehr ansehen
The Move / Shazam
Esoteric Recordings / VÖ: 11.8.2016, Originalveröffentlichung 1970
The Move, die ihr Debütalbum 1967 veröffentlichten, wirkten zwischen den harmonischen Beatles und den rabaukenhaften Stones wie ein rätselhaftes, schwer zu fassendes Chamäleon. Das Debüt besticht vor allem durch eine verwirrende Vielfalt an musikalischen Einfällen und wirkt als Ganzes wie eine Collage. Psychedelia, handfester Rock, softes Gesäusel. Selbst die Hits ›Here We Go Round The Lemon Tree‹ und ›Flowers In The rain‹ lassen einen schrägen Humor aufblitzen. »Jeder Roy Wood-Song war anders«, wird Frontmann Carl Wayne im Booklet zum zweiten Album zitiert, »und so großartig sie auch waren, hatten wir uns damit selbst ins Knie geschossen.« ‚Shazam‘, erschienen im Februar 1970, wurde dementsprechend von der Kritik geliebt, weniger vom Publikum. Das Album, das nur sechs längere Songs enthält, ist Progrock à la The Move. Der nicht mit Handwerker-Meisterbriefen protzt, sondern einfach nur scheuklappenfrei ist, und selbstredend immer wieder mit irren Wendungen aufwartet.
Bereits 2007 erschienen aufwändige Wiederveröffentlichungen der beiden Alben auf Salvo. Die neuen Editionen von Esoteric Recordings erweitern diese noch. The Move enthält neben dem remasterten Original-Mono-Album auf zwei CDs zahlreiche Bonus Track, alternative Versionen, Stereo Mixe. Die dritte CD besteht aus BBC Sessions von Januar 1967 bis Januar 1968. Der Clou der Shazam-Edition ist ebenfalls eine CD mit BBC Sessions, die unter anderem einige Interview-Schnipsel plus eine gewagte Mischung von Coversongs (von Beach Boys bis Neil Diamond) enthält.
The Move 7/10
Shazam 8/10
Prodigal Son
Blue Rose Records / VÖ: 19.5.2017
Singer/Songwriter
Elliott Murphy hat seit seinem Debüt 1973 einfach immer weitergemacht, obwohl es immer nur zu einem Nischendasein in der Riege der großen Songschreiber gereicht hat. „Literatur ist meine Religion, Rock’nRoll meine Sucht“ hat er mal gesagt, und das bedeutet seit Jahrzehnten: Mehr ansehen
It Takes A Worried Man
Blue Rose Records / VÖ: 15.1.2013
Singer / Songwriter
Murphy ist einer von denen, die nie berühmt geworden sind, aber einfach weitergemacht haben. „Literatur ist meine Religion, Rock’nRoll meine Sucht“ hat er mal gesagt. Nach diesem Muster strickt er seit Jahrzehnten seine Platten: Schlaue Texte, geradlinige Musik, umgesetzt auch dieses Mal mit seiner soliden Band The Normandy Allstars. Mehr ansehen
Der letzte Rockstar
Elliott Murphy im Jubez, Karlsruhe, 8.10.2006
Er hat die Liner Notes für ein Velvet Underground Album geschrieben, mit Bruce Springsteen ein Duett aufgenommen und er war in einer Szene von Fellinis „Roma“ zu sehen. Seit 1990 lebt Elliott Murphy in Paris. Die Franzosen, sagt er kürzlich in einem Interview, hassten die Reichen hassen – im Gegensatz zu seinen amerikanischen Landsleuten. „Die wollen reich werden“. Und die Deutschen? Kurz vorm Auftritt am Donnerstagabend im Jubez: Murphy denkt kurz nach und grinst: „Sie neigen dazu, den Reichen zu verzeihen“. Mehr ansehen